Es wird darauf verzichtet, Menschen zu verstehen
Bewusst und bequem?
Was mir bei seiner These als erstes ins Auge springt, ist das Wort „Bequemlichkeit“. Daher bohre ich bei Daniele Gianella nach: „Warum sagst Du das so drastisch?“ „Naja, man kann auch sagen, sie machen es extra. Und bequem ist es ja: Ich weiß um etwas oder ich ahne etwas, aber ich tue es trotzdem nicht und lasse es bleiben. Deshalb ‚bewusst‘ und ‚Bequemlichkeit‘.“ Das glaube ich sofort. Sich mit Menschen zu befassen, bedeutet Zeit, Energie und Empathie einzubringen – etwas, womit heutzutage ausgesprochen sparsam und egoistisch umgegangen wird. Dabei könnte es so einfach sein: Wenn man sein Gegenüber kennt, die Passung stimmt, entstehen gewaltige Synergieeffekte. Es gibt tolle Tools, um genau das zu erreichen. Das Reiss Motivation Profile® (RMP) ist so eines. Es erleichtert, schneller zu erfassen, was einen Menschen ausmacht und ob die Passung stimmt. Aber dazu später. Für alle, die noch nie etwas von RMP gehört haben: hier ein kleiner Exkurs.
Das Reiss Motivation Profile® (RMP)
Beim RMP handelt es sich um einen Persönlichkeitstest. Es geht darum, intrinsische Motive greifbar zu machen. Mit dem Profil finden Sie heraus, was einen Menschen antreibt, wonach er strebt oder welche Bedürfnisse für ihn besonders wichtig sind. Diese Motive äußern sich dann im jeweiligen Verhalten. Im Kern handelt es sich also um ein Instrument, um einen Teil der Identität bzw. Persönlichkeit greifbar zu machen. Mein Team und ich nutzen das seit vielen Jahren im Bereich des Personal Branding, bei dem sich alles um die eigene Personality dreht.
RMP im Recruiting
Auch im Bereich des Recruitings bzw. Head Huntings ist das RMP von enormem Nutzen. Ich spreche hier von Matching und Passgenauigkeit. Eine Firma sucht beispielsweise einen völlig extrovertierten Vertriebler, da wird sich ein Mitarbeitender, dem es nicht besonders wichtig ist, Einfluss zu nehmen oder Beziehungen aufzubauen, sehr schwertun. Dies lässt sich auch nicht erlernen. Unsere grundlegendsten intrinsischen Motive sind wie die DNA – einmalig und in Stein gemeißelt. Daher hat es Sinn, wenn Sie sich bereits bei der Stellenausschreibung Ihre Suchkriterien so angeben, dass die Passung möglichst groß ist. Aber dafür sind leider viel zu viele Unternehmen nachweislich zu bequem.
Die Folgen der Bequemlichkeit
Was ist der Status Quo in vielen Unternehmen? Es wird nicht wirklich auf die Menschen geschaut. Stattdessen wird permanent an den Kompetenzen herumgeschraubt. Wenn sich ein Mitarbeitender mit etwas schwertut, müssen seine Fähigkeiten erweitert werden. In der Regel bedeutet das überspitzt formuliert: ab ins Trainingslager, ins Coaching oder zu einer Weiterbildung. Aber niemand fragt nach der Grundmotivation, also der Art und Weise, wie jemand an ein Problem herangeht. Wie ist denn das für ihn als Typ? Ich benutze in diesem Zusammenhang oft das Wort „artgerecht“: Ist das artgerecht, sich so einer Situation oder einem Thema zu nähern? Das heißt im Klartext: Unternehmen haben es sich ziemlich leicht gemacht, weil sie gesagt haben: „Wenn ich mich mit menschlicher Persönlichkeit auseinandersetzen muss, ist das ja richtig komplex, weil jeder anders tickt.“ Eine Führungskraft, die bspw. die Verantwortung für zehn Mitarbeitende trägt, sollte jeden individuell führen. Viele fühlen sich damit überfordert. Statt auf die Individualität jedes einzelnen einzugehen und seine intrinsischen Kompetenzen zu fördern, wird versucht, diese in die diktierten Anforderungen hineinzupressen. Fatal. Unzufriedenheit, Burn-Out und nur mittelmäßige Ergebnisse sind die Folge eines solchen Führungsstils.
Fazit
Unternehmen führen, Abteilungen führen heißt Menschen führen. Menschen führen bedeutet, anderen zu helfen, erfolgreich zu sein. Dafür muss man aber diese Menschen kennen, ihre Motivatoren, ihre Sorgen und Wünsche, ihre Stärken und Schwächen und sich individuell darauf einstellen. Ja, das ist mit Zeit und Energie verbunden, aber es ist DIE Aufgabe einer Führungskraft … und dann klappt das auch mit der Synergie.