Unternehmensberater – ein Wort, das bereits seit 50 Jahren zu unserem Wirtschaftsleben dazugehört. Doch sind die Berater von heute für morgen noch wichtig? Oder besser gesagt: Was brauchen gute Unternehmensberater?
Seit jeher kommen sie wie die Feuerwehr in Unternehmen, wenn es dort brennt – oder wie Bernhard Bartsch in seinem Artikel „Ende eines Mythos“ schreibt: Sie sind die „Ärzte eines Wirtschaftssystems“. Diesen Vergleich fand Ben Schulz so treffend, dass er ihn in seinem gemeinsam mit Edgar K. Geffroy verfassten Buch „Goodbye, McK…& Co.“ gleich zu Beginn des ersten Kapitels zitiert.
Wie die Halbgötter in Weiß rauschen Unternehmensberater in Designeranzügen, perfekt gestylten Haaren und einem Laptop unter dem Arm durch die Räumlichkeiten ihrer Kunden. Unnahbar mit Pokerface. Hinter verschlossenen Türen lesen die McKinseys & Co Zahlen und Statistiken, entwerfen ein ausführliches Dossier zur Symptombekämpfung, überreichen es mit einer gesalzenen Rechnung dem Kunden und lassen dann die Geschäftsführung bei der Umsetzung alleine. Sie sind nur auf ein Thema spezialisiert und fokussiert. Das große Ganze, Nachhaltigkeit, die Ursachen hinter den Symptomen interessieren nicht. Wie bei einem Schachbrett. Sie sind Experten für den Bereich F6, sehen vielleicht noch nach F5 und F7, aber welche Auswirkungen Änderungen an F6 auf bspw. A3, E8 oder H4 haben, findet keinerlei Beachtung. Das ist nicht mehr zeitgemäß. Viele Unternehmer sind es leid, bei den Problemlösungen vor vollendete Tatsachen gestellt zu werden und möchten eine professionelle Begleitung bei der Umsetzung.
Gerne laden wie Sie dazu ein, in diesem Hörbuch in den Alltag des Beraters von 2025 hineinzuhören. Ben Schulz und Edgar K. Geffroy gaben diesen Ausblick bereits 2015 in ihrem Buch „Goodbye McK…& Co.“
Jede Zeit hat ihre Antworten – die Herausforderungen von heute und morgen
Nicht nur die souveränen und auf Ganzheitlichkeit fokussierten Anforderungen an den Berater seitens des Kunden stellen die Zunft der Unternehmensberater vor neue Herausforderungen. Man kann es schon fast nicht mehr hören, aber dennoch ist es Tatsache: Wir leben in einer immer schneller werdenden Welt. Was heute noch „in“ oder aktuell ist, ist morgen schon überholt.
Besonders die Komplexität der letzten 4-5 Monate hat gezeigt, wie wichtig es ist, das Schachbrett mit allen 64 Feldern stets als Ganzes im Blick zu haben. Der Berater von heute und morgen MUSS die Komplexität, welche uns in Form von Digitalisierung, Transformation, Innovation immer schneller umgibt, verstehen und überblicken. Er muss sie fühlen und im besten Falle schon vor dem Auftreten seismographisch erahnen.
Durch die Medien und das Internet sind viele Menschen deutlich informierter als früher. Daher ist es für den Berater von morgen zwingend, stets auf dem aktuellen Stand zu sein und eine hohe Flexibilität zu zeigen. Nehmen wir das Beispiel „Homeoffice“. Viele Unternehmen hielten es für unmöglich, dass ihre Mitarbeiter genauso effizient von zu Hause aus arbeiten können wie im Büro. Homeoffice kam niemals in Frage und wurde sogar verpönt. Denn wer arbeitet schon, wenn er zuhause ist? Dann kam Corona – und siehe da, arbeiten im Homeoffice zeigte keine Nachteile. Hier wäre der Berater von morgen zum Beispiel bei den Unternehmen gefordert, gemeinsam mit dem Unternehmer, den Führungskräften, Mitarbeitern, der Personalabteilung und der IT Homeoffice auch für die Zukunft zu gestalten.
Arbeit wird in der Zukunft generell einen anderen Stellenwert bekommen. Die Werte haben sich geändert. Ganzheitliche Gesundheit, Entschleunigung und Achtsamkeit rücken in den Fokus. Auch die Vereinbarkeit von Familie und Beruf wird immer stärker gefordert. Hier brauchen Unternehmen in Zukunft Unterstützung von Beratern, die das große Ganze im Blick haben. Gerade die letzten Monate haben Dinge entstehen lassen, die absolut unvorhersehbar waren. Wer da noch an Altem festhält, wird überrannt. Diese Zeiten erfordern ein hohes Maß an Flexibilität, eine hohe Kompetenz in systemischen Zusammenhängen zu denken und – und jetzt schließt sich der Kreis, da besonders mittelständische Unternehmen von der derzeitigen Krise bedroht werden – eine enge Zusammenarbeit mit dem Kunden.
Mittendrin – der Berater von morgen
In seinem Buch „Wenn Turnschuhe nichts bringen“ schrieb Ben Schulz ein Kapitel mit der Überschrift „mittendrin“. Dieses auf den ersten Blick unscheinbare Wort trifft den Nagel auf den Kopf, wenn es um die Frage nach dem Berater von morgen geht. Der Berufsstand des Unternehmensberaters durchlebt einen Rollenwechsel. Insbesondere mittelständische Unternehmen suchen keine anonymen McK… & Co., sondern einen Berater, der zeitgleich Vertrauter ist, der die Sprache des Unternehmens versteht. Der Kunde von heute und morgen sucht eine neue Form der Beratung. Er wünscht eine Begleitung über den gesamten Zeitraum der Veränderung in seinem Haus. Er sucht jemanden an seiner Seite, der ihn versteht, sein Geschäft versteht, seine Mitarbeiter und die die Zusammenhänge versteht und ihm zuhört. Empathie und Nahbarkeit werden immer wichtiger.
Zu einer guten Beratung gehört der Dialog. Lösungen werden nicht im stillen Kämmerlein nach irgendwelchen theoretischen Methoden gesucht, sondern im persönlichen Gespräch mit dem Unternehmer, mit den Mitarbeitern, mit Geschäftspartnern oder auch mal mit der Unternehmerfamilie. Das ganze Schachbrett wird mit einbezogen. Soft Skills wie Wertesysteme, Motivationen, Wünsche, Bedürfnisse, Sorgen werden genauso betrachtet wie Zahlen, Daten, Fakten. Der Berater von morgen ist Analytiker, Personal Trainer, Beichtvater, Kumpel und manchmal Eheberater in einer Person. Dies kann nur funktionieren, wenn gegenseitiges Vertrauen vorhanden ist.
Mit einer Kombination aus Motivationsdiagnostik, wie zum Beispiel dem Reiss Motivation Profile, der Analyse des Warums, der Vision des Unternehmers für sein Unternehmen und des Wissens, das sich im Unternehmen versammelt sowie die Kenntnis der Daten und Fakten, ist eine ganzheitliche Beratung garantiert. Um bei dem Bild der Ärzte zu bleiben: Es geht um einen psychosomatischen Ansatz, der sowohl Homöopathie, Psychologie und Schulmedizin im Sinne des Patienten vereint.
Das große Vorbild Gandalf
In seinen Büchern „Goodbye McK…& Co.“ und „Wenn Turnschuhe nichts bringen“ beschreibt Ben Schulz anhand der Charakterbeschreibung des weisen Zauberers Gandalf die Anforderungen, welche an einen guten Berater gestellt werden.
Gandalf verfügt über folgende Fähigkeiten:
- Er hat ein gutes Timing und weiß, wann er gebraucht wird.
- Er sieht die Dinge im Gesamtkontext und kann sie einordnen.
- Er verfügt über eine hohe Intuition. Diese speist sich aus seinem Wissen, seinen Erfahrungen und seinen Kontakten.
- Er trifft keine Entscheidungen, unterstützt aber bei deren Findung.
- Er hört gut zu, stellt passende Fragen, damit das Gegenüber selbst die Antworten finden kann.
- Er kennt die Stärken und Schwächen seines Gegenübers ganz genau.
- Er hat Macht, nutzt diese aber nicht aus, sondern stärkt lediglich sein Gegenüber.
Folgender Auszug von Seite 143 aus dem Buch „Goodbye McK…& Co.“ beschreibt den Berater von morgen sehr anschaulich:
„Er ist keiner, der nur durch Fachwissen und Spezialistentum glänzt und auf alle Fragen eine Antwort hat, sondern jemand, der die Bedeutung von Dingen erkennt und weiß, wie die Fluten von Informationen miteinander in Verbindung stehen. Damit eng verbunden ist die Kreativität: Tauchen unerwartete Probleme auf, verschieben sich Zusammenhänge, kommen neue Informationen hinzu – dann kommt es auf die Kreativität des Beraters an, der kompetent damit umgehen sollte, um eine Lösung zu finden. Aber nicht nur die eigene Kreativität eines Beraters wird gefordert sein, sondern auch dessen Fähigkeiten, Kreativität an seine Kunden weiterzuvermitteln. Dabei ist wieder viel Menschenkenntnis und Einfühlungsvermögen gefragt, denn wer sich von der »Unternehmens-Beratungs-Ebene« auf die »Mensch-Beratungs-Ebene« begibt, braucht nicht nur Soft Skills, sondern auch wahre innere Begeisterung für das, was er tut. Denn nur so kann der Berater die Menschen auch erreichen und mitnehmen.“