„Wer als Führungskraft aufsteigt und wer scheitert, wer geliebt wird und wer kritisiert, habe vor allem mit dem Zeitgeist zu tun“, schreibt Nitin Nohria, ehemaliger Dekan der Harvard Business School. Weiter sagt er: „Eine Person, die in einer Epoche beeindruckende Erfolge feiert, kann in einer anderen kläglich scheitern.“ Die Führung hat seinen Gedanken nach mehr mit dem jeweiligen Zeitgeist zu tun als mit dem Charakter. Weiter wird beschrieben, dass was früher gar nicht ging, heute von Vorteil ist – und dann noch eine „Erkenntnis“ – „Was uns als Menschen abhebt, ist unsere Fähigkeit zur Empathie. Gefragt sind Vorstände, CEOs und Managerinnen, die mit Menschen umgehen können und diverse Perspektiven ins Unternehmen tragen.“ Geschlossen wird das Editorial dieser Ausgabe mit den Worten: „Wir stehen am Beginn einer Zeitenwende. Das betrifft nicht nur CEOs, sondern jede einzelne Führungskraft.“ Ich sage, wir sind mittendrin in der Zeitwende und stehen nicht erst am Beginn. Wer jetzt nicht anfängt, seine Rolle als Führungskraft zu hinterfragen und sich seiner Verantwortung stellt, wird untergehen.
Welche Führungskraft bin ich?
In der Führung haben wir noch immer das Problem, dass es keine klassische Ausbildung oder ein wirkliches Studium dafür gibt. Und selbst wenn, dann seien Sie jetzt einmal ganz ehrlich: Würden Sie jemanden, der frisch aus dem Studium kommt, direkt auf eine Führungsposition setzen? Was würden die langjährigen Mitarbeitenden dazu sagen, wenn Heinrich Grünschnabel mit frischem Masterabschluss jetzt die Abteilung leiten soll?
Also wird es in vielen Unternehmen weiterhin so bleiben, dass Führungspositionen von Mitarbeitenden besetzt werden, die aufgrund ihrer Erfahrung oder Expertise dafür auserkoren wurden. Und jetzt? Was sollen diese Führungskräfte alles machen. Sollen Sie als Coach agieren, zum Feel Good Manager werden, Händchenhalter sein, Motivator, Kummerkasten und was weiß ich nicht alles. Im Grunde soll aus diesen Mitarbeitenden die eierlegende Wollmilchsau werden. Sind Sie dieser schon einmal live begegnet? Ich zumindest nicht – und genauso sollten wir uns auch von dem Gedanken verabschieden, dass Führungskräfte zu Generalisten werden. Denn wie bitte sollen sie als Coach die Leistung beurteilen, wie sollen sie als Motivator sagen, dass die Krankmeldungen überhandnehmen, wie sollen sie als Kummerkasten den Mitarbeitenden sagen, dass das Gejammer nervt … Sie wissen, worauf ich hinauswill. Wer also ist dieser Mitarbeitende, der jetzt führen soll – Führungskraft, allwissendes Genie, Fußabtreter, Mentor?
Will ich aus voller Überzeugung heraus Führungskraft sein?
Heruntergebrochen heißt gute Führung nichts anderes als definierte Ziele und Ergebnisse zu erreichen, und das mit den Menschen, die es zu führen gilt. Jeder Mensch, der sich darauf einlässt, muss sich darüber im Klaren sein. Deshalb lautet die entscheidende Frage: Will ich das? Will ich Führungskraft sein? Die meisten Menschen sagen dazu nein, das zeigt auch eine Umfrage der Boston Consulting Group aus dem Jahr 2021. Hier geben nur 14 % an, dass sie in eine Führungsposition möchten. Übrigens führen dort auch 29 % der Befragten an, dass Empathie eine der Top 5 Qualitäten guter Leader ist, was zeigt, wie „bahnbrechend neu“ die obigen Erkenntnisse sind. Doch zurück zum Thema. Bevor Sie im Unternehmen einen Mitarbeitenden in eine Führungsposition heben und mit schönen Versprechungen und mehr Gehalt locken, sollten sowohl Sie als auch der betreffende Mitarbeitende darüber nachdenken, ob er oder sie wirklich die richtige Person dafür ist. Denn wenn es nicht passt, ist der Schaden am Ende groß. Doch auch solche, die bereits Führungskräfte sind, sollten sich fragen, wie sie ihre Rolle ausfüllen. Ist doch alles eine Frage der richtigen Methode, oder?