Tour-Notizen aus der Mission Hoffnungsträger
Ich sitze im Boot, irgendwo in Finnland. Der See ist still, die Wasseroberfläche glatt wie Glas. Der Himmel grau, die Luft klar. Ich halte die Angel in der Hand, aber eigentlich fische ich nicht nach Fischen. Sondern nach Gedanken. Nach dem, was bleibt, wenn der Trubel leiser wird.
Drei Gespräche treiben mir immer wieder durch den Kopf. Drei Stimmen aus meiner Reise zum Nordkap. Drei Begegnungen, die mehr sind als Interviews. Sie sind Spiegel. Sie fordern mich heraus. Sie zeigen, wie unterschiedlich Führung gelebt werden kann – und wie ähnlich sie im Kern ist.
Unsichtbar wirksam – mit Gerda Söhngen
Gerda sitzt mir gegenüber, ruhig, klar, präsent. Ihre Stimme hat dieses Gewicht, das man nicht trainieren kann. Es kommt von innen. Vom Wissen, was richtig ist. Was zählt.
Ihr Unternehmen liefert Hinterschnittanker für die größten Bauwerke dieser Welt. Dinge, die niemand sieht – aber die alles tragen. Mir schießt sofort ein Satz aus meinem Buch „Führungskräfte als Hoffnungsträger“ in den Kopf: „Die wichtigste Wirkung ist oft die, die keiner bemerkt.“ (vgl. S. 46–49)
Genau das lebt Gerda. Sie spricht von Qualität, von Verlässlichkeit, von dem Mut, sich nicht ständig neu erfinden zu müssen – sondern sich treu zu bleiben und trotzdem voranzugehen. Was mich berührt: Ihre Führung beginnt nicht im Organigramm, sondern im Spiegel. Selbstführung. Keine Show, keine Rhetorik. Sondern Haltung.
Gerda hat nicht gewartet, bis es jemand vormacht. Sie ist losgegangen. Auch dorthin, wo der Markt rauer wurde. Auch dorthin, wo andere abwinkten. Weil sie weiß: Nur wer innerlich klar ist, kann nach außen etwas bewegen. Das Gespräch mit ihr war leise. Und genau deshalb so laut in mir.
Zwischen Verantwortung und Kulturbruch – Maximilian Fritsch
Max kommt rein in den ZoomCall und bringt diese Mischung aus Gründergeist und Traditionslast mit. Ein Laborgerätehersteller in der vierten Generation – das klingt nach Geschichte. Aber Max lebt nicht in der Vergangenheit. Im Gegenteil.
Er erzählt mir, wie er mit dreißig in eine Struktur einstieg, die älter war als seine Eltern. Und dass er trotzdem alles hinterfragt hat. Nicht aus Trotz, sondern aus Klarheit. „Du hast Angst? Gut so. Mach weiter.“ – dieser Satz von ihm bleibt hängen.
Führung bedeutet für Max, Dinge nicht nur zu verwalten, sondern zu verändern. Und zwar radikal ehrlich. Kein Buzzword-Bingo, kein Kulturworkshop mit bunten Kärtchen. Sondern Feedbackrunden mit echtem Risiko. Prozessanalysen mit unbequemen Wahrheiten. Klartext statt Konsenssoße.
Im Kapitel über Komm-vor-Zone statt Komfortzone (vgl. „Führungskräfte als Hoffnungsträger“, S. 42) schreibe ich über den Mut, sich den Fragen zu stellen, die man lieber nicht hören will. Max lebt genau das. Und ich merke: Auch ich muss mir wieder ein paar dieser Fragen stellen.
Handwerk als Haltung – Henning Hanebutt
Hennings Betrieb, der mehr nach Campus als nach Bau aussieht. 600 Mitarbeitende. Dachdecker. Fassadenbauer. Und mittendrin: eine eigene Akademie.
Was mich beeindruckt: Henning redet nicht von Transformation – er macht sie. Mit Auszubildenden, Vorarbeitern, Projektleitern. Mit Gesprächen auf Augenhöhe. Mit Werten, die nicht an der Wand hängen, sondern in Entscheidungen sichtbar werden.
„Erst wenn ich mich ändere, ändert sich alles.“ Dieser Satz fällt im Gespräch. Und trifft. Denn wie oft erwarten wir Veränderung von anderen – während wir selbst nicht einen Millimeter weichen wollen?
Henning zeigt, was möglich ist, wenn Handwerk nicht nur Arbeit ist, sondern Verantwortung. Wenn Führung nicht Macht bedeutet, sondern Beziehung. Wenn man nicht fragt: Wie kann ich mich absichern?, sondern: Wofür bin ich hier?
Im Kapitel „Mein Beitrag fürs System“ (vgl. S. 59) beschreibe ich genau dieses Prinzip: Führung ist keine Position. Sondern eine Entscheidung. Jeden Tag neu.
Was bleibt?
Drei Menschen. Drei Systeme. Drei Wege. Und eine Erkenntnis, die sich wie ein roter Faden durchzieht:
Führung beginnt bei dir.
Nicht bei der Strategie. Nicht beim Budget. Nicht bei den anderen. Sondern bei dir.
Was du zulässt. Was du tust. Und was du lässt.
Und während ich diesen Text schreibe, merke ich: Auch ich bin gefordert. Noch mehr loszulassen. Noch klarer zu stehen. Noch ehrlicher hinzusehen.
Denn wir alle sind in Bewegung. Ob wir wollen oder nicht. Die Frage ist nur: Führen wir – oder werden wir geführt?
Wenn du jemanden kennst, der genau diese Frage gerade braucht, schick ihm diesen Artikel weiter. Und wenn du für dich selbst gerade merkst, dass da etwas in Bewegung kommen will: Dann erzähl mir davon. Oder nimm dir diese Frage mit in den Tag:
„Was wäre, wenn dein größter Hebel nicht im Außen, sondern in dir liegt?“
Morgen geht es Richtung Stockholm.
Ben Schulz ist Sparringspartner für Geschäftsführer und Führungsteams in klein- und mittelständischen Unternehmen, wenn es um deren Strategie und Transformationsprozessen geht. Der Vorstand des Beratungshauses Ben Schulz & Partner AG legt den Schwerpunkt seiner Tätigkeit, gemeinsam mit seinem Team, auf die Schwerpunkte Unternehmensleitbildentwicklung, Kulturwandel, Führungskräfteentwicklung und strategischen Unternehmersparrings, bei denen es um die Steigerung von Perfomance geht.