1,1 Millionen Euro für den Vorstandschef. 688.000 Euro für reguläre Vorstandsmitglieder. Die Durchschnittseinkommen der Top-Manager waren trotz Finanz- und Wirtschaftskrise großzügig. Diese Zahlen stammen aus der Studie Managergehälter von 2010. Und was hat sich seitdem geändert? Nix, würde ich sagen. So schrieb der Münchner Merkur 2021 sinngemäß: „Millionen-Gehälter trotz Corona-Krise. Während die Mitarbeitenden finanziell bluten, in Kurzarbeit landen oder ihre Jobs verlieren, geht's den Dax-Unternehmen und ihren Führungsriegen deutlich besser.“ Im vergangenen Jahr fragte auch die Süddeutsche Zeitung provokant, wie viel die Arbeit von Managerinnen und Managern wert ist. Beispielhaft wurde Martin Winterkorn angeführt, der auf etwa 17 Millionen Euro Jahresgehalt kam. Während manche bei solchen Summen schon mit den Ohren schlackern, legt Rubin Ritter, ehemaliger Vorstand des Online-Modehändlers Zalando, noch einen drauf. Als er das Unternehmen verließ, strich er zum Abschied sage und schreibe 89 Millionen ein.
Und jetzt mal ein paar Stufen tiefer auf der Karriereleiter. Führungskräfte im mittleren Management verdienen immer noch deutlich mehr als normale Angestellte. Da drängt sich die Frage auf: Sind sie das wirklich wert? Wenn wir die Mitarbeitenden fragen, würden sie wahrscheinlich vorwiegend mit „Nein“ antworten. Sie beschweren sich, dass die Chefs keine Leistung bringen, ihre Verantwortung nicht wahrnehmen, nicht führen und keine Entscheidungen treffen. Die Folge: Mitarbeitende fühlen sich nicht mit dem Unternehmen verbunden und denken beständig über eine Kündigung nach.
Den Beleg für diese Aussage liefert der neue Gallup Engagement Index. Dort wird gezeigt, dass nur noch 13 % der Befragten ein durch Führung geprägtes Arbeitsumfeld erleben, das in einer hohen emotionalen Bindung resultiert. Außerdem gab knapp über die Hälfte, gerade mal 55 %, an, dass sie beabsichtige, heute in einem Jahr noch bei ihrer derzeitigen Firma zu sein. Mit anderen Worten: die andere Hälfte will gehen! Wenn das mal nicht Alarmglocken schrillen lässt. Es ist also höchste Zeit, dass Führungskräfte an sich arbeiten und ihre Rolle endlich ernst nehmen.
Misstrauen, Frust und ein beschissenes Arbeitsklima
Nehmen wir zum Beispiel ein Unternehmen, in dem es eine Führungskraft gibt, die ein fürstliches Gehalt bezieht. Schauen wir jedoch genauer hin, stellt sie sich in vielen Bereichen als Luftpumpe heraus. Große Worte, denen keine Taten folgen. Sie übernimmt keine Verantwortung, sondern schiebt diese weiter. Sie fällt keine Entscheidungen und die Leistung dieser Führungskraft rechtfertigt in keinem Fall das fette Gehalt. Diese Führungskraft lebt im Luxus, während ihr Team die ganze Arbeit schultert. Noch dazu wird dieses mit den Problemen allein gelassen. Die Führungskraft weicht heiklen Fragen aus, verlegt Gespräche immer weiter nach hinten und versucht möglichst „unsichtbar“ zu sein. Es besteht keinerlei Interesse an den Bedürfnissen und Anliegen der Mitarbeitenden, die Kommunikation ist auf einem Nullpunkt, von Transparenz und Vertrauen keine Spur. Der Chef versteckt sich in seinem Büro und lässt alle über seine Pläne im Dunkeln. Das hat verheerende Folgen: Misstrauen, Frust und ein beschissenes Arbeitsklima. Die Mitarbeitenden sind verwirrt und haben keine Ahnung, was sie tun sollen und vor allem wofür sie es tun. Kein Wunder, dass die Leute dann kündigen oder nur noch Dienst nach Vorschrift schieben.
Fokus auf den Kern der Arbeit
Zu viele Führungskräfte verstecken sich hinter ihrem Titel. Sie übernehmen keinerlei Verantwortung für ihr Handeln und lassen ihre Mitarbeitenden im Stich. Das Problem in der Führung ist, dass es keine Ausbildung und kein Studium dafür gibt. Viele kommen aus der Position eines Mitarbeitenden in die Rolle und sollen jetzt plötzlich alles beherrschen. Aber Kummerkasten, Coach, Anführer und Manager in einer Person funktioniert nicht. Was also ist die Aufgabe von Führungskräften? Das, wofür sie ihr Gehalt bekommen? Ein guter Freund und Aufsichtsratsvorsitzender meiner Firma beschreibt es sehr treffend: Führungskräfte müssen unvollkommene Menschen in einem unvollkommenen Unternehmen mit unvollkommenen Prozessen zu außerordentlichen Leistungen befähigen, um ein gemeinsames Ziel zu erreichen. Wer sich dessen nicht bewusst ist, ist in der Position der Führungskraft total fehl am Platz und somit auch sein Geld nicht wert.
Führungskräfte haben verlernt, sich auf den Kern ihrer Arbeit zu fokussieren – die Führung von Menschen. Sie beherrschen zwar die Fach- und Methodenkompetenz aus dem Effeff, doch meist sind die sozialen und kommunikativen Fähigkeiten fast schon verkümmert. Es reicht eben nicht aus, nur auf dem Papier eine Führungskraft zu sein. Eine gute Führungskraft muss in der Lage sein, effektiv zu kommunizieren, ihr Team zu motivieren und klare Ziele zu setzen. Sie schafft eine Atmosphäre des Vertrauens und der Zusammenarbeit, erkennt die individuellen Stärken jedes Teammitglieds und fördert sie gezielt. Es geht also nicht darum, als Führungskraft nur gut zu verdienen, sondern darum, ob das Gehalt gerechtfertigt ist.
Nicht umsonst frage ich in meinen Führungskräfteentwicklungen immer: „Warum stehst Du eigentlich auf der Gehaltsliste des Unternehmens?“
Ben Schulz ist Sparringspartner für Geschäftsführer und Führungsteams in klein- und mittelständischen Unternehmen, wenn es um deren Strategie und Transformationsprozessen geht. Der Vorstand des Beratungshauses Ben Schulz & Partner AG legt den Schwerpunkt seiner Tätigkeit, gemeinsam mit seinem Team, auf die Schwerpunkte Unternehmensleitbildentwicklung, Kulturwandel, Führungskräfteentwicklung und strategischen Unternehmersparrings, bei denen es um die Steigerung von Perfomance geht.