Vergleichen wir den Wahlkampf mit einem Ferienlager, so lassen sich bezüglich der Wählenden zwei Camps bestimmen. Das eine Camp meint, die Wahl könne nur mit einem aussagekräftigen Wahlprogramm gewonnen werden. Das andere Camp hingegen, sieht den entscheidenden Unterschied in einer imposanten Personality. An dieser Stelle frage ich – wie läuft das in der Politik? Können PolitikerInnen die Personality leben, die sie ausmacht oder wird auch diese von ihren BeraterInnen und StylistInnen bestimmt und fehlinterpretiert? Und wenn sie ihre Personality auch in der Öffentlichkeit ausleben können – wie gelingt das bis dato?
Personality zeigen als Moses mit den neuen „grünen“ 10 Geboten oder doch lieber adrett im blauen Anzug?
Annalena Baerbock – in Szene gesetzt als Moses Figur, in der Hand haltend die neuen 10 Gebote und eine Überschrift, die besagt „Wir brauchen keine Staatsreligion“. Auf den Tafeln sind 10 Gebote zu sehen, die aus Baerbocks Wahlprogramm erschlossen wurden und nicht sonderlich positiv klingen – herzlich Willkommen im Bibelcamp. Dieses Kopfkino beschert uns die Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft mit ihrer Kampagne gegen die Anwärterin des BundeskanzlerInnenamtes. Wenn ich mir die öffentlichen Auftritte von Frau Baerbock genauer anschaue, sollte man meinen, dass sie genau diese Message der Kampagne auch an die Gesellschaft vermitteln möchte. Auf ihrer Website sehen wir hauptsächlich professionell inszenierte, überdosiert grüne Bilder von ihr. Steht sie in der Öffentlichkeit, greift sie durchweg zu knalligen, frischen Farbakzenten oder einem Blümchenprint. Schließlich ist sie ja auch jung und modern – da kann man doch alles tragen?!
Machen wir uns nichts vor – Armin Laschet bietet nicht sonderlich viel Abwechslung – sowohl bezogen auf seine eintönigen, dunkelblauen Anzüge als auch auf seine Personality. Ob auf Pressefotos, seinem „privaten“ Instagram-Account oder im Fernsehen, von Nahbarkeit und Authentizität fehlt weit und breit jede Spur. Nun ja – vielleicht hat Herr Laschet früh morgens auch besseres zu tun, als sich den Kopf über eine ausgefallene Klamotte zu zerbrechen und legt seinen Fokus lieber auf die Summe seiner Stimmen. Oder er ist einfach der nette Onkel von nebenan, den sich jeder Konfirmand als Pate wünscht – also schon der zweite Punkt, der für ein Bibelcamp spräche.
Was wäre ein Camp ohne Rivalitäten?
Der Konter auf die „Baerbock-Moses-Anzeige“ hat nicht lange auf sich warten lassen. „Auge um Auge, Zahn um Zahn“, so kontert Campact, ebenfalls von der Bibel inspiriert, mit einer ähnlichen Photoshop Anzeige. Steintafeln waren gestern! Auf „neumodischen“ Klemmbrettern sehen wir „seine“ 10 Gebote, die Laschet in den Armen hält und nicht besonders positiv konnotiert sind. Sie umschreiben ihn als Gegner der Klimapolitik, als den bösen Alten, der die Zukunft der jungen Generationen stoppt und als Gefährder von „grünen Jobs“ – ich hab’s geahnt: Willkommen im Bibelcamp!
Personality lässt sich nicht formen!
Personality steckt in einem. Personality bringt ein Mensch mit. Personality lässt sich nicht nach äußeren Faktoren formen – wie wir es beispielsweise bei verschiedenen Produkten kennen. Ein wichtiger Punkt bezüglich Annalena Baerbock und Armin Laschet ist also der, dass sie sich noch so cool, modern, hip und lässig darstellen (lassen) können – wenn sie diese Eigenschaften nicht in sich tragen, dann gehören sie eben einfach nicht zu ihrer Personality. Und das kann auch keine Strategie dieser Welt ändern.
Baerbock oder Laschet – wem gebührt der Trumpf als Personenmarke?
Die Antwort lautet – keinem. Sei es die leicht überinszenierte Frauenpower von Annalena Baerbock oder der strukturierte, nette Onkel Laschet von Nebenan – beide halten ihre Personality im Verborgenen, beide schwimmen an der Oberfläche und verfolgen vermutlich ein Ziel: die KanzlerInnenkanditatur. Auf den ersten Blick versuchen sie beide eine Marke für Deutschland zu sein und um das zu erreichen, braucht es scheinbar keine authentische und nahbare Personality.
In Teil 2 geht es dann genauer um die Bildsprache von Annalena Baerbock und Armin Laschet. Vielleicht machen professionelle BeraterInnen ihren Job dort besser?!
Teil 2
Jetzt fokussieren wir uns auf die Bildsprache, die sie auf ihren Websites an den Tag legen – in der Hoffnung, dass es wenigstens dort fluppt. Bilder wirken ja bekanntlich mehr als tausend Worte …
Der Wahlkampf holpert weiter fröhlich vor sich hin und jeden Tag erreichen uns neue Schlagzeilen wie auch passende Bilder. Mal sind sie authentisch, mal inszeniert und gelegentlich sitzt man einige Minuten da und fragt sich – na, wo haben sie sich denn versteckt? Lässt sich die Bildsprache der beiden möglicherweise mit einer Achterbahnfahrt vergleichen, bei der man aufpassen muss, dass einem vom ganzen Auf und Ab nicht schlecht wird? – Herzlich Willkommen im Freizeitpark!
Wenn der Freizeitpark zu langweilig ist, spielt man eben Verstecken
Im Verstecken spielen ist einer der beiden KanzlerkandidatInnen ganz groß – Armin Laschet. Schaut man sich die Bilder auf seiner Website an, bedarf es eines scharfen Blicks, um ihn nicht aus Versehen mit dem Papst zu verwechseln. Oder er geht unter in einem Meer von dunkelblauen Anzugträgern, die sich lediglich an ihrer individuellen Krawatte unterscheiden. Schimmert da überhaupt mal ein Hauch von politisch aussagekräftigen Themen wie Frieden, Freiheit und Sicherheit durch? Man sollte meinen, dass Laschet doch eher den altbekannten Dreiklang „Friede, Freude – Eierkuchen“ präferiert und diesen auch ganz gut in Szene setzen kann. Seine Bilder werfen mehr Fragen auf als dass sie Klarheit schaffen. Sie verleiten uns dazu, nach der Betrachtung die passende Geschichte zu erfinden – vielleicht hat er sich mit dem Papst spontan zum Kaffeekränzchen verabredet? Ausschließen kann man dies zumindest nicht. Ähnlich wie bei der Wahl seiner Kleidung, ist es ihm möglicherweise schlichtweg egal, wer ihn wann, in welchem Moment ablichtet. Hauptsache er ist irgendwo zu erkennen – oben, unten, links oder rechts. Bis zu seinem Geburtstag im Februar ist noch ein wenig Zeit. Vielleicht kommt bis dahin mal jemand auf die Idee, ihm einen „Wie richte ich die Kamera richtig aus?“-Workshop zu schenken.
Achterbahn fahren? – nicht ohne meine Vitamine!
Vitamine sind wichtig und nötig, um einen Tag im Freizeitpark zu meistern – oder den Wahlkampf. Auch Annalena Baerbock ist sich dieser Weisheit bewusst. Wie wir es auf ihrer Website vernehmen können, setzt sie alles daran, sich mit den nötigsten Vitaminen auszustatten. Passend und ordnungsgemäß zur aktuellen Corona-Lage, steht sie mit Mundschutz, strahlenden Augen und einer großen Öko-Papiertüte voller Vitamine an einem Marktstand inmitten ihrer heiß geliebten Heimatstadt Potsdam. Den roten Anorak nicht zu vergessen. Auf vielen Bildern ist sie umgeben von „Grün-DenkerInnen“, anderen PolitikerInnen oder inmitten einer großen Schar von Kindern und Jugendlichen. Na bitte, da haben wir doch die Themen, die WählerInnen sehen wollen! Man muss es ihr lassen – ihre Bildsprache hat sie im Griff, zumindest meistens. Es sei denn, sie wird früh morgens vom Fotografen aus dem Bett geklingelt, der sie für ein fehlendes Homepage-Bild noch schnell vor die graue Betonwand stellt. Müde – grauer Himmel – graue Wand und trotzdem ein Lächeln im Gesicht. Nun gut, bei so vielen gut in Szene gesetzten Bildern kann auch mal eins in Hose gehen …
Bilder wirken mehr als tausend Worte
Davon kann unser Fotograf Uwe Klössing ein Liedchen singen, eigentlich sogar mehrere Alben. Natürlich berücksichtigt er in der Personal-Branding-Fotografie auch die Haptik. Vielmehr geht es ihm aber darum, die Wertvorstellungen des Gegenübers gut rüberzubringen. Nun ja, in Bezug auf den ersten Teil der Blogserie ist die Wertvorstellung der KanzlerkandidatInnen nicht ganz so geglückt. Außerdem bedarf es einer grundlegenden Vertrauensbasis – aber wie soll das bei so beschäftigten KanzlerkandidatInnen und ständig wechselnden FotografInnen funktionieren? Annalena Baerbock ähnelt hier wohl einem „Natur“-Talent. Und Armin Laschet? Ihm scheint das völlig „wumpe“ zu sein!
Für den ersten Eindruck bekommst du keine zweite Chance – und auch keine dritte, vierte, …
Bei der Betrachtung von Bildern sollten potenzielle KundInnen – in diesem Fall also die WählerInnen – direkt ein Gefühl von Sympathie, Vertrauen und Authentizität spüren. Der Mensch steht also mit seiner gesamten Persönlichkeit im Fokus, ohne dabei auch nur einen Hauch von Inszenierung zu spüren. Annalena Baerbock hat das offensichtlich verinnerlicht, selbst wenn sie gerade erst aus dem Bett gefallen ist. Bei Armin Laschet können wir aufhören zu zählen, denn er hat offensichtlich wichtigeres zu tun …
Die Bildsprache der beiden könnte unterschiedlicher nicht sein und ich hoffe, Sie haben diese Achterbahnfahrt gut überstanden, bevor es nächste Woche wieder rund geht. Im dritten Teil unserer Blogserie nehmen wir die Social Media Kanäle der beiden KanzlerkandidatInnen auseinander. Vielleicht übernehmen diesen Job erfahrenere Teams, für die Social Media das „tägliche Brot“ ist? Dieser Frage gehen wir in Teil 3 auf den Grund.
Teil 3
Alle guten Dinge sind bekanntlich drei. So folgt hier der dritte und letzte Teil unserer Serie: Laschet vs. Baerbock – wer trumpft als Personenmarke? In Teil 2 haben wir die Bildsprache der beiden unter die Lupe genommen und festgestellt, dass Baerbock diesbezüglich die Nase vorne hat. Und was kommt einem direkt in den Sinn, wenn es um Bilder geht? – Social Media, die neue Welt der unbegrenzten Möglichkeiten. Dann hoffen wir mal, dass Laschet und Baerbock beim Training gut aufgepasst haben, erfahrene MitstreiterInnen gibt es sicherlich genug …
Noch zwei Monate bis zum großen Wahlkampf-Finale! Fast so spannend wie das bevorstehende Endspiel der EM2020 am Sonntag, ist auch das Match zwischen den beiden KanzlerkandidatInnen. Von Plagiatsvorwürfen bis hin zu gefälschten Lebensläufen – kaum pfeift der Schiri ein Foul für die grüne Mannschaft, versuchen diese sich wie wild zu wehren. 1:0 für FC Laschet würde ich behaupten und für FFC Baerbock gilt: „Pech im Spiel, Glück im Social-Media-Leben“. Denn wenn wir uns die Präsenz der Beiden auf Instagram, Facebook, Twitter und Co. anschauen, sieht der Spielstand etwas anders aus…
Kanzlerkandidatin oder Newcomer-Influencerin?
Keine unberechtigte Frage, wenn man sich die Social-Media Kanäle der grünen Kanzlerkandidatin und Partei anschaut. Mit Abstand generiert sie, im Vergleich zu allen anderen PolitikerInnen wie Parteivorsitzenden, die größte Followerzahl – auf Instagram mit knapp 250.000, Twitter mit rund 300.000 wie Facebook mit mehr als 68.000 Followern. Kein Wunder, wenn man sich ihre Kernthemen vom Klimaschutz bis hin zur LGBTQIA+-Bewegung anschaut. Ähnlich wie ihre Website, ist auch ihr Feed bunt, divers und des Öfteren präsentiert sie sich mit ihrer Zielgruppe – den jungen, hippen Generationen. Ab und zu beschert sie ihren Followern sogar ein spontanes Selfie. In der Regel verlässt sie sich aber doch lieber auf ihre professionellen FotografInnen. Schlummert in ihr vielleicht doch der Wunsch einer Influencerinnen-Karriere? Weit davon entfernt ist sie zumindest nicht. Das Einzige was ihr noch fehlt, sind authentische und nahbare Stories. Damit ihre Follower ständig auf dem neusten Stand sind und ihr am besten schon beim morgendlichen Kaffeetrinken zugucken können. Diesen Job könnte doch der Fotograf übernehmen, der sie ohnehin für Shootings schon früh morgens aus dem Bett klingelt?!
Eigentor für FC Laschet
Mit Blick auf die gegnerische Mannschaft FC Laschet, stellen wir schnell fest, dass das mit der Influencer-Karriere nicht so rund läuft. Wenn ihm auch ein kleiner Extrapunkt für die gesichtete Lücke bei LinkedIn gebührt. Zwar lassen sich seine Follower dort an zwei Händen abzählen, aber aller Anfang ist schwer, oder? Auf seinen Plattformen fehlt von gut in Szene gesetzten Bildern, Authentizität und Nahbarkeit jede Spur. Wir werden förmlich erschlagen von Zitaten und müssen uns erstmal einen Überblick verschaffen – was möchte uns der Herr Laschet damit sagen? Sein letzter Post zeigt es ganz gut: „Interesse wahren, Werte verteidigen“ heißt der Spruch auf einem Bild, das ihn von hinten präsentiert – ganz nach dem Motto: ein schöner Rücken kann auch entzücken. Sind ihm die Werte also egal oder will er damit sein nicht vorhandenes Interesse hervorheben? Immerhin hat er sich bei namhaften InfluencerInnen eine Scheibe abgeschnitten, wenn es um die Gestaltung seines Feeds geht. Farblich abgestimmt zu seiner Kleidung, sehen wir ein Meer von dunkelblauen Kacheln, versehen mit schlicht weißen Schriftzügen – bloß nicht polarisieren, Herr Laschet! Storys verbindet er vermutlich eher mit Märchengeschichten von Omi, als dem Tool der Plattformen, das ihm Nahbarkeit verschaffen könnte. Ich sehe die Workshop-Gutscheine zu seinem Geburtstag schon einflattern. Denn sollte er das Finale des Wahlkampfs gewinnen, muss er unbedingt am Ball bleiben.
In ist, wer drin ist
Die sozialen Medien sind dazu da, sie tagtäglich mit aktuellem, nahbarem wie authentischem Content zu füttern. Wer diese Chance nutzt, kann schnell bekannt, wenn nicht sogar berühmt werden. Anders als die Steinzeit-Plakate, die jede Straßenlaterne im noch so kleinen Kaff geschmückt haben und heute gar nicht mehr auffallen. Wie dem auch, wenn Hans und Franz wie Smombies durch die Straßen ziehen? Für ältere Fraktionen mag Social-Media nach wie vor eine Frage des Datenschutzes sein. Genauso verstaubt und „oldschool“ scheint uns allerdings auch deren Image. Schließlich leben wir im Hier und Jetzt und das zeigt, dass Onlinemedien dazu da sind, die Erlebbarkeit des Menschen in Echtzeit fassbar zu machen – und das sollten die beiden KanzlerkandidatInnen nutzen, um die eine oder andere ausschlaggebende Stimme für sich zu gewinnen. Authentizität – Nahbarkeit – Emotionen – Personality: darauf kommt es an.
Wer bringt den Sieg nach Hause?
Bei diesem spannenden Wahlkampf lässt sich die Frage wohl erst beantworten, wenn der Schiri im September abpfeift. Bis dahin gibt es sicherlich noch das eine oder andere Foul und spannende Rivalitäten. Frau Baerbock muss ganz schön aufpassen, dass sie nicht kurz vor Abpfiff noch eine rote Karte kassiert. Und das Trainerteam von Laschet sollte sich schnellstmöglich überlegen, ihn von der Defensivposition in der Offensive zu positionieren.