Ich kann es nicht mehr hören. Dieses endlose Gejammer in Führungsetagen. Dieses „Es ist alles so schwer“, „Früher war alles besser“, „Die Zeiten sind hart“. Diese kollektive Selbstbemitleidung, als wäre der wirtschaftliche Druck ein Freifahrtschein für Lethargie, Opferhaltung und Pessimismus.
In meiner Arbeit mit Geschäftsführern, Leitungsteams und Top-Entscheidern bin ich immer wieder fassungslos, wie viel Zeit und Energie in das gepflegte Blasen von Trübsal investiert wird. Statt Perspektiven zu schaffen, wird analysiert, warum alles nicht funktioniert. Statt Verantwortung zu übernehmen, wird nach Schuldigen gesucht. Statt Führung zu zeigen, wird gejammert.
Ja – auch ich kenne diese Momente. Nächte, in denen man auf der Bettkante sitzt und nicht weiß, wie man die nächste Entscheidung treffen soll. Tage, an denen man vor dem Team steht und merkt: Dir selbst fehlt die Kraft, die du versuchst zu vermitteln. Aber: Das entbindet uns nicht von unserer Aufgabe. Wir haben einen verdammten Job: führen.
Und führen heißt nicht: mit einem Gesicht wie drei Tage Regenwetter ins Teammeeting gehen und erwarten, dass die anderen vor Motivation sprühen. Es heißt nicht: Druck machen, straffen, peitschen und dann rätseln, warum niemand mehr freiwillig Verantwortung übernimmt. Es heißt: Vorbild sein. Hoffnung geben. Klarheit schaffen. Haltung zeigen.
Wann ist uns eigentlich diese einfache Wahrheit abhandengekommen?
Dass Menschen eher auf jemanden hören, der Vision hat, als auf jemanden, der am Grab seiner eigenen Zuversicht steht?
Es ist grotesk, wie oft ich in Gesprächen mit Führungskräften auf einen Mindset treffe, der sich ausschließlich um Mangel, Angst und Probleme dreht. Und dann wundern wir uns, warum unsere Teams nicht mitziehen? Warum alle „mitgenommen“ wirken – im wahrsten Sinne des Wortes?
Die Wahrheit ist unbequem
Solange wir uns als Führungskräfte wie Opfer benehmen, werden wir auch wie Opfer behandelt. Solange wir keinen Fokus auf das legen, was funktioniert, wird auch nichts funktionieren. Solange wir Dankbarkeit und Wertschätzung als esoterischen Schnickschnack belächeln, wird sich in unserer Kultur nichts bewegen.
Es braucht keinen neuen Prozess. Keine weitere Change-Offensive. Keine noch smartere Strategie. Es braucht eine neue Haltung.
Eine Haltung, die Verantwortung übernimmt – auch für die eigene Wirkung. Eine Haltung, die Mut ausstrahlt, wo andere zaudern. Eine Haltung, die sagt: „Ich sehe die Probleme, aber ich entscheide mich, nach Lösungen zu suchen.“ Eine Haltung, die Hoffnung nicht als naive Spinnerei versteht, sondern als strategische Ressource.
Schluss mit dem Blödsinn.
Lasst uns endlich anfangen, wieder das zu tun, wofür wir bezahlt werden: führen. Lasst uns Vorbilder sein – nicht für Perfektion, sondern für Perspektive. Für Mut. Für Zuversicht. Für echte Stärke.
Denn eines ist sicher: Wer ständig nur sieht, was fehlt, wird nie sehen, was möglich ist.