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Prägende Erfahrungen als Unternehmer – Überforderung und Enttäuschung

Heute wird es persönlich – Walter Kohl und ich berichten davon, was uns als Unternehmer prägte, welche Erfahrungen wir machten und welche Schlüsse wir daraus gezogen haben. Im Besonderen wollen wir uns in diesem Blog zwei Themenfeldern widmen, die viele UnternehmerInnen kennen: Der Umgang mit Überforderung und Enttäuschung.
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Den Begriff Überforderung hören die meisten Führungskräfte, InhaberInnen oder UnternehmerInnen nicht gerne. Niemand, der in diesen Rollen agiert, möchte zugeben, mit Situationen überfordert zu sein. Doch Fakt ist, dass es immer wieder Momente oder Situationen gibt, die uns an unsere Grenzen bringen. Eine davon ist Walter Kohl noch lebhaft in Erinnerung.

Unverhofft Post vom Insolvenzverwalter

Er war damals voller Hoffnung und Zukunftsvisionen unterwegs in einem aufstrebenden Start-up der Automobilindustrie und hatte gerade den ersten großen siebenstelligen Auftrag von Rolls Royce in Form eines Projekts bei Karmann erhalten. Das Gefühl „Jetzt haben wir es in den Club der großen Lieferanten geschafft“ stellte sich bei Walter Kohl ein, zumal es ein anspruchsvolles und kein 0815-Projekt war. Dann kam Post. Von einem Insolvenzverwalter. Dort stand, dass Karmann Insolvenz anmeldet und dies auch das Start-up als Lieferanten betreffe. Mit etwas Glück würde dieses in drei bis fünf Jahren vielleicht 4 % der Ansprüche bekommen. „Ich weiß noch ganz genau, wie ich dasaß – wie gelähmt. In diesem Moment brach meine Welt zusammen“, sagt Walter Kohl. Ein Augenblick, der sich tief eingebrannt hat. Damals konnte er es nach außen nicht zugeben, doch heute, Jahrzehnte später, bekennt er sich dazu, in dieser Situation komplett überfordert gewesen zu sein. 

Verdacht auf Wirtschaftskriminalität

Ich kann das sehr gut nachvollziehen, denn auch ich erlebte einen ähnlichen Moment. Damals war ich 24, seit drei Jahren selbstständig, hatte 15 Mitarbeitende und saß in einer Gerichtsverhandlung. Mein Geschäftspartner hatte mich um eine Viertelmillion Euro geprellt. Vier lange Termine beim Landesgericht später sagte die Richterin, sie könne keine Entscheidung treffen, denn es bestehe der Verdacht auf Wirtschaftskriminalität von Seiten meines Geschäftspartners. Sie müsse den Fall jetzt an ein Kammergericht geben, die Staatsanwaltschaft hinzuziehen usw. Auf meine Nachfrage, wie lange das dauern würde, war die Antwort: so drei, vier Jahre. Zum damaligen Zeitpunkt war ich mit meinem Unternehmen bereits kurz vor der Zahlungsunfähigkeit. Und das war der Moment, der sich bei mir eingeprägt hat, wenn es um Überforderung geht. Ich kann mich noch gut daran erinnern, dass ich nachts heulend auf der Bettkante gesessen habe – völlig am Ende mit meinem Latein. 

Trampeln, bis es Butter wird 

Zurück zur Karmann-Insolvenz. Zuvor hatte Walter Kohl noch nie etwas mit Insolvenzen zu tun gehabt. Und jeder, der sich schon einmal damit beschäftigt hat, weiß, dass das deutsche Insolvenzrecht komplex ist. Er als Lieferant stand ganz hinten in der Kette. Wenn es genauso gekommen wäre, wie es im Brief an den Insolvenzverwalter stand, wäre es das Ende aller Träume, aller Visionen, aller Möglichkeiten. Wie in jeder Krisensituation zog Walter Kohl seine Ratgeber hinzu – drei davon sind bei ihm immer dabei: die Logotherapie von Viktor Frankl, stoische Philosophie und der Glaube. Ein Buch von Viktor Frankl, welches er direkt nach dem zweiten Weltkrieg schrieb, heißt „Trotzdem Ja zum Leben sagen“. Vor dem geistigen Auge entstehe damit verbunden zum Beispiel das Bild vom Frosch in der Milchkanne, der so lange trampelt, bis Butter entsteht und er wieder festen Boden unter sich hat. Walter Kohl stampfte ebenfalls stur weiter und setzte sich intensiv mit dem Thema Insolvenz auseinander. Er kämpfte mit harten Bandagen, hatte er doch im Grunde nichts mehr zu verlieren. Unter anderem erzählte er dem Insolvenzverwalter, dass er die Muttergesellschaft von Royce Rolls, BMW, darüber informiert habe, dass er die Arbeit einstellen würde und das neue Fahrzeug auf der Automobilmesse in Frankfurt somit gestorben wäre, denn ein Rolls Royce ohne Achsaufhängung verkaufte sich sehr schlecht. Ihm war in dieser Situation wichtig, dafür zu sorgen, dass die Insolvenzkanzlei in die volle Haftung kommt. Am Ende gab es ein paar graue Haare, die nötige Bezahlung für Walter Kohl und pünktlich zur IAA einen neuen Rolls Royce mit genügend Rädern, Achsen und Aufhängungen. Es öffneten sich dadurch sogar neue Türen für sein Start-up. Aufgrund dieser Ereignisse wurde BMW auf sie aufmerksam und machte das junge Unternehmen zu einem direkten Lieferanten. Ein Ritterschlag, wenn man bedenkt, dass normalerweise nur alteingesessene, deutsche Werkzeuglieferanten solche Aufträge bekommen. Das Projekt bei Karmann wurde bezahlt. Viele der dort Angestellten wechselten später zu VW und schufen so weitere Projekte für das Start-up. Auf einmal standen zwei große deutsche Automobilhersteller als Neukunden auf der Liste.

Entscheidung gegen Überforderung

Auch ich stand vor der Wahl: In der Milchkanne trampeln oder weitere vier Jahre mit anstrengenden und nervenaufreibenden Gerichtsterminen verbringen. Ich wusste, wir waren kurz davor, dass die Banken uns den Geldhahn zudrehen würden und wurde aktiv. So änderte ich das gesamte Geschäftsmodell um, richtete es neu aus, investierte viel Energie – und es hat funktioniert. Für mich war klar: ich treffe eine Entscheidung gegen die Überforderung, die ich wie einen schweren Rucksack mitschleppte. Sie sollte keinen Einfluss mehr auf mich haben. Einige mögen meinen Weg jetzt skurril oder verrückt nennen, doch ich fragte den Anwalt, was der niedrigste Betrag sei, den wir bei einem Vergleich erzielen müssten, damit die Banken mich als Geschäftsführer nicht verklagen könnten. Und das war natürlich nur ein Bruchteil der Gesamtsumme. Ich sagte dem Anwalt, er solle morgen dem gegnerischen Anwalt das entsprechende Angebot machen. Bis heute hat er nicht verstanden, warum ich das getan habe, doch für mich war es ein Befreiungsschlag. 

Enttäuschung – das Salz in der Wunde 

Mit der Überforderung ging bei mir auch eine große Enttäuschung einher. Schließlich hatte mich damals nicht irgendwer geprellt, sondern mein Geschäftspartner. Ein Mensch, dem ich vertraut habe, mit dem ich sogar befreundet war. Hinter meinen Rücken fälschte er Bilanzen und stopfte mit dem Geld seine eigenen Löcher. Dieser Verrat war wie das Salz in der Wunde der Überforderung. 

Erst Rückendeckung, dann Kündigung

Im Unternehmenskontext erlebte Walter Kohl auch eine große menschliche Enttäuschung in den 90er-Jahren, als er als junge Führungskraft in einem Controlling-Team arbeitete. Einer seiner Mitarbeitenden steckte in einer Scheidung und hatte Probleme, weshalb er bat, bezüglich der Arbeitszeit ein Auge zuzudrücken, wenn Termine beim Anwalt anstanden. Walter Kohl hat in gedeckt, beim Team bekam er zudem weitere Unterstützung. Kurz nachdem die schwierige Phase überstanden war, bat der Mitarbeitende um eine Gehaltserhöhung. Schließlich habe er zum Erfolg eines Projekts beigetragen. Er hätte auch andere Angebote, die wirtschaftlich viel interessanter seien, da er dort direkt in eine Leitungsposition bekommen würde. Walter Kohl hatte viel Zeit und Geld in die Entwicklung dieses Mitarbeitenden investiert, der ihm nun den Rücken zuwandte. Das war für ihn als jungen Vorgesetzten eine herbe Enttäuschung. 


 

Fazit: UnternehmerInnen sind auch nur Menschen  

Wir als UnternehmerInnen und Führungskräfte sind auch nur Menschen – manche Situationen überfordern oder enttäuschen uns. Wir sind auch mal wütend, stocksauer, frustriert. Und all diese Emotionen dürfen sein. Doch wichtig ist, wie wir im Selbstmanagement damit umgehen. Zu diesem Thema habe ich bereits einige Beiträge geschrieben – lesen Sie gerne rein. 


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