Möglicherweise haben Sie es schon selbst erlebt oder von Freunden gehört: Diese alljährlichen Mitarbeitergespräche, die so oft auf die lange Bank geschoben werden und meist nur dazu dienen, über Gehaltserhöhungen zu verhandeln. Ja, Sie wissen sicher, wovon die Rede ist. Aber was ist, wenn wir Ihnen sagen, dass diese Gespräche in der heutigen Zeit oft ihre eigentliche Bedeutung verfehlen?
Das verfehlte Ziel der Jahresgespräche
Ich traf mich kürzlich mit einer Freundin namens Melanie, und sie erzählte mir von ihrem letzten Mitarbeitergespräch. Es ließ mich über die Sinnhaftigkeit solcher Gespräche nachdenken.
Normalerweise laufen Mitarbeitergespräche so ab: Einmal im Jahr, wenn überhaupt, werden sie abgehalten und dienen hauptsächlich der Gehaltsverhandlung. Das eigentliche Ziel dieser Gespräche gerät oft aus dem Blickfeld.
Melanies jährliche Prämie hing hauptsächlich von der Erfüllung ihrer Jahresziele ab. Ihr Chef verteilte die Prämien subjektiv und oft untransparent. Einige Mitarbeitende erhielten großzügige Boni, während andere mit unzulänglichen Begründungen für geringere Beträge abgespeist wurden.
Melanie durchschaute dieses System schnell. Im nächsten Jahr setzte sie ihre Ziele bewusst niedriger, um sicherzustellen, dass sie ihre Prämie bekam. Das Ergebnis? Solche Jahresgespräche erfüllten nicht ihren Zweck und führten zu Demotivation und Misstrauen. Sie verfehlen ihre eigentliche Absicht: Das Besprechen der nötigen Rahmenbedingungen für Mitarbeitende, um motiviert bei der Arbeit zu bleiben und sie zu fördern und an das Unternehmen zu binden.
Die drei essenziellen Dinge, um die es im Mitarbeitergespräch gehen sollte
Was sollten Mitarbeitergespräche nun eigentlich bewirken? Sie sollten dazu dienen, den Mitarbeitenden zuzuhören, ihnen Feedback zu geben und die Weiterentwicklung zu fördern. Hier sind die Hauptpunkte, die bei solchen Gesprächen berücksichtigt werden sollten:
1. Leistungen und Wohlbefinden der Mitarbeitenden
Mitarbeitende sollen die Gelegenheit haben, über ihre Aufgaben und ihre Zufriedenheit bei der Arbeit zu sprechen. Wie kommen sie mit ihren Aufgaben zurecht? Wie läuft es insgesamt für sie?
2. Kompetenzen und Fähigkeiten
Feedback zu den vier verschiedenen Kompetenzfeldern ist entscheidend. Dies umfasst die fachliche und die methodische Ebene genauso wie den sozialen Umgang und die Selbstkompetenz. Mitarbeitende sollten wissen, wie sie in diesen Bereichen stehen, gemeinsames Reflektieren ist in diesem Zusammenhang auch ofr hilfreich.
3. Unternehmenswerte und Leitbild
Mitarbeitende sollten Feedback darüber erhalten, wie gut sie sich in Bezug auf die Werte des Unternehmens und das Leitbild positionieren. Dies trägt zur Unternehmenskultur bei.
Das Hauptziel sollten die Förderung der Mitarbeitenden und die Bindung an das Unternehmen sein. Diese Gespräche sollten nicht auf Gehaltsverhandlungen beschränkt sein, da Geld allein nicht ausreicht, um Mitarbeiter zu motivieren.
Mit Geld allein kommt’s nicht zur Mitarbeiterbindung
Es ist erwiesen, dass die innere Motivation entscheidend ist. Wenn Sie die Motivation Ihrer Mitarbeitenden steigern möchten, sollten Sie deren individuelle Motive und ihren Antrieb verstehen. Dazu empfehlen wir, sich das Reiss Motivation Profile® Ihrer Mitarbeitenden anzusehen. Dieses Profil zeigt, was jeden Einzelnen wirklich antreibt.
Mitarbeitende schätzen es, wenn ihre Führungskraft auf ihre Interessen eingeht. Die Wahl von Anreizen, die zu den individuellen Motiven der Mitarbeitenden passen, führt zu einer höheren Wertschätzung.
Anstelle von Standard-Incentives sollten Sie also auf individuelle Anreize setzen. Dies erfordert, die Interessen und Motivationen jedes Mitarbeitenden zu berücksichtigen. Ein Teammitglied, das wissbegierig ist, profitiert zum Beispiel von einer Fortbildung in punkto Motivation, während eine sportlich aktive Kollegin sich über den Zugang zum Fitnessstudio freut.
Regelmäßige Gespräche sind zielführender als gezwungene Jahresgespräche
Ein weiterer wichtiger Punkt ist die Frequenz der Gespräche. Statt sich auf jährliche Termine zu beschränken, sollten Führungskräfte in regelmäßigen Abständen kurze Gespräche und Check-Ins führen. Dies ist effektiver als die obligatorischen, oft nutzlosen Jahresgespräche und Mitarbeitende fühlen sich insgesamt besser wahr- und in ihren Bedürfnissen mehr ernstgenommen.
Verstehen Sie mich bitte richtig: Führungskräfte sind keine Therapeuten. Wird sind hier immerhin nicht im Kindergarten und alle sind alt genug, ihre Angelegenheiten selbst zu klären und arbeitstüchtig im Unternehmen zu erscheinen – und das, ohne dass die Führungskraft ständig Händchen hält. Die Aufgabe der Führungskräfte besteht vielmehr darin, die Rahmenbedingungen zu schaffen, damit die Mitarbeitenden ihre Aufgaben erledigen können. Ihre Hauptmission ist, ein Arbeitsumfeld zu schaffen, in dem die Mitarbeitenden erfolgreich arbeiten können und sich wohl fühlen. Wenn sie dies erreichen, werden die Mitarbeitergespräche nicht nur effizienter, sondern auch erfüllender.
„Und wie soll ich das mit dem Mitarbeitergespräch jetzt machen?“
Mitarbeitergespräche können effektiv sein, wenn sie klug geführt werden und das eigentliche Ziel im Blick behalten. Es ist wichtig, die Mitarbeitenden nicht nur einmal im Jahr zu berücksichtigen. Die innere Motivation, individuelle Anreize und regelmäßige Gespräche sind der Schlüssel zu erfolgreichen Mitarbeitergesprächen. Wenn Sie dies erreichen, können Mitarbeitergespräche produktiver und erfüllender sein. Es ist eine Herausforderung, die richtige Balance zu finden, aber die Bemühungen sind es wert.
Ben Schulz ist Sparringspartner für Geschäftsführer und Führungsteams in klein- und mittelständischen Unternehmen, wenn es um deren Strategie und Transformationsprozessen geht. Der Vorstand des Beratungshauses Ben Schulz & Partner AG legt den Schwerpunkt seiner Tätigkeit, gemeinsam mit seinem Team, auf die Schwerpunkte Unternehmensleitbildentwicklung, Kulturwandel, Führungskräfteentwicklung und strategischen Unternehmersparrings, bei denen es um die Steigerung von Perfomance geht.