Na super. Der Tag beginnt mit einem Blick auf die Wetterkarte. Regen. Auf ganzer Strecke. Von Stavanger bis nach Vossevangen. Dauerregen. Keine Schauer, kein bisschen Hoffnung. Also rein in die Regenklamotten. Jeder Zentimeter Haut wird eingepackt, jede Öffnung doppelt kontrolliert. Und wie das so ist: Nach 15 Minuten Vollmontur fällt mir auf, dass das Handy in der inneren Jackentasche steckt. Alles wieder aus. Alles wieder an.
1,5 Stunden später läuft mir das Wasser von oben in den Kragen. 11 Grad Außentemperatur. Es wird frisch im Nacken. Keine Pause, kein Jammern. Nur weiter.
Ich halte am Langfoss Wasserfall. 612 Meter Fallhöhe. Eine Urgewalt. Spektakulär. Das Geräusch ist so laut, dass du deine eigenen Gedanken kaum hörst. Und doch drängt sich einer durch: „Du kannst eh nichts machen.“
Kennst du diese Gedanken? Diese Sätze, die sich einschleichen, wenn die Umstände zu groß, zu laut, zu unkontrollierbar erscheinen?
„Ich hab keinen Einfluss.“
„Das ist halt so.“
„Jetzt ist nicht der richtige Zeitpunkt.“
Bullshit. Das ist kein Wetterbericht. Das ist eine Entscheidung.
Ich erlebe in meiner Arbeit als Unternehmer und Coach immer wieder Führungskräfte, die sich hinter Umständen verstecken. Mal ist es der Markt. Mal das Team. Mal die Politik. Alles Ausreden in Sonntagskleidung.
Was fehlt, ist nicht die Lösung. Sondern die Bereitschaft zur Verantwortung.
Verantwortung ist kein Titel. Keine Funktion. Kein LinkedIn-Slogan. Verantwortung ist: Ich bin bereit, die Folgen meiner Entscheidung zu tragen – auch wenn es regnet, auch wenn es unbequem wird.
Wir reden so gern über Leadership. Über Purpose. Über Werte. Aber wenn’s drauf ankommt, schieben wir lieber. Verantwortung an andere. Entscheidungen ins Morgen. Fehler ins Außen.
Ich nehme dich kurz mit zu Kapitel 3 in meinem Buch „Führungskräfte als Hoffnungsträger“: Dort schreibe ich über den Moment, in dem du aufhörst, dich zu rechtfertigen. In dem du erkennst, dass Selbstführung kein Bonus ist, sondern dein Fundament. Dass dein Team nicht dein Problem ist – sondern dein Spiegel.
Verantwortung heißt: Du hörst auf, in Rollen zu denken, und beginnst, dich selbst zu führen. Du sagst nicht mehr „man müsste“, sondern „ich mache“. Du sprichst Fehler aus – nicht um dich zu entlasten, sondern um wirksam zu werden.
Ich war durchnässt. Ich war genervt. Und ja – ich war kurz davor, einfach stehenzubleiben obwohl ich mir der Tatsache bewusst war, dass Norwegen kein sonniger Sonntagsspaziergang wird. Aber weißt du was? Genau da beginnt Verantwortung. Nicht, wenn die Sonne scheint. Sondern wenn’s unbequem wird.
Ich musste an Gespräche mit Geschäftsführern denken, die sagen:
„Meine Leute ziehen nicht mit.“
Oder: „Dafür fehlt uns gerade die Zeit.“
Oder: „Ich hab schon so viel versucht.“
Das ist kein Leadership. Das ist Rückzug in Ausflüchte.
Verantwortung ist nicht romantisch. Sie ist unbequem. Und sie macht einsam. Aber sie macht auch klar.
Führung heißt, Haltung zu zeigen – auch wenn keiner klatscht.
Führung heißt, Entscheidungen zu treffen – auch wenn du nicht weißt, ob sie aufgehen.
Führung heißt, anzuerkennen, dass du selbst der größte Hebel bist – und oft auch das größte Hindernis.
Ich glaube nicht mehr an das Märchen vom charismatischen Leader, der alles weiß und alles kann. Ich glaube an den Menschen, der ehrlich genug ist, sich selbst infrage zu stellen. Der den Mut hat, Verantwortung zu übernehmen, wo andere weglaufen.
Führung ist nicht, wie viele folgen. Sondern wie sehr du bereit bist, bei dir selbst anzufangen.
Wenn du heute nur eine Entscheidung triffst, dann diese: Hör auf zu schieben.
Nicht auf andere. Nicht auf morgen. Nicht auf das Wetter.
Denn die Wahrheit ist:
Wenn du Verantwortung übernimmst, wird es nicht leichter.
Aber du wirst leichter.
Reflexionsimpuls für dich:
Führung beginnt bei dir. Nicht bei anderen.
1. Wo schiebst du Verantwortung aktuell auf dein Team, weil es bequemer ist?
2. Wie oft benutzt du äußere Umstände als Ausrede, keine Verantwortung zu übernehmen?
3. Welche Fehler trägst du mit dir herum, die du dir nicht eingestehen willst?
4. Was wäre anders, wenn du 100 % Verantwortung übernimmst – ohne Ausrede, ohne Rechtfertigung?
Wenn du jemanden kennst, der diesen Impuls gerade braucht – schick ihn weiter.
Und wenn dich ein Satz getroffen hat: Teile ihn. Schreib deine eigene Erkenntnis dazu. Führung ist kein Sololauf. Aber sie beginnt mit dir.
Morgen geht’s weiter.
Ben Schulz ist Sparringspartner für Geschäftsführer und Führungsteams in klein- und mittelständischen Unternehmen, wenn es um deren Strategie und Transformationsprozessen geht. Der Vorstand des Beratungshauses Ben Schulz & Partner AG legt den Schwerpunkt seiner Tätigkeit, gemeinsam mit seinem Team, auf die Schwerpunkte Unternehmensleitbildentwicklung, Kulturwandel, Führungskräfteentwicklung und strategischen Unternehmersparrings, bei denen es um die Steigerung von Perfomance geht.