Heute früh, kurz vor der Abfahrt von Lom Richtung Atlantikstraße, hatte ich noch ein Online-Interview. Am anderen Ende des Bildschirms: Gerda Söhngen. Unternehmerin. Haltungsmensch. Hoffnungsträgerin.
Gerda führt ein Familienunternehmen in dritter Generation. Ihre Produkte sind klein, technisch, unscheinbar. Und doch halten sie die Fassade des Nike-Stores in Miami oder die Christusstatue in Brasilien. Hinterschnittanker. Nichts, was man auf den ersten Blick sieht. Aber ohne sie würde vieles nicht hängen bleiben. So wie gute Führung. Die sieht man oft erst, wenn sie fehlt.
Im Gespräch erzählt Gerda, wie sie das Unternehmen übernommen hat. Wie viel Mut es gebraucht hat, nicht nur weiterzuführen, sondern weiterzudenken. Sie hat das Unsichtbare sichtbar gemacht. Ohne laut zu werden. Aber mit Klarheit. Mit Entscheidungen. Mit Verantwortung.
Ihre Geschichte passt zu dieser Etappe. Denn heute geht es über die Atlantikstraße.
Die Atlantikstraße ist keine gewöhnliche Straße. Sie ist eine Entscheidung gegen den Rückzug. Eine gebaute Zumutung für alle, die glauben, man sollte nur Wege gehen, die sicher sind. Zwölf Orkane während des Baus. Wind, der Bohrgeräte aus der Verankerung gerissen hat. Gischt, die tagelang Sicht unmöglich machte. Die logische Antwort wäre Rückbau gewesen. Oder Aufschub. Oder: gar nichts tun.
Aber sie haben weitergebaut.
Weil jemand gesagt hat: „Wir brauchen diese Verbindung.“ Und nicht: „Wir hätten da eine tolle Idee, wenn das Wetter mal besser wird.“
Die Atlantikstraße tanzt über das Meer. Ihre Bögen wirken wie Klingen, die den Sturm zerschneiden. Sie verbindet keine Metropolen. Sie verbindet Menschen. Und sie wurde 2005 zur norwegischen Bauleistung des Jahrhunderts erklärt. Nicht, weil sie schön ist. Sondern weil sie zeigt, was passiert, wenn jemand nicht aufgibt.
In meinem Buch Führungskräfte als Hoffnungsträger schreibe ich auf Seite 47 über die vier Formen der Selbstführung. Eine davon: Entscheidungen treffen, auch wenn es keine Garantie gibt. Mut heißt nicht, ohne Risiko zu handeln. Mut heißt, in Bewegung zu bleiben, obwohl alles in dir „Stopp“ ruft. Genau das fehlt vielen Führungskräften. Bewegung. Nicht von außen. Sondern innen.
Wir führen oft erst, wenn alle Ampeln auf Grün stehen.
Wenn die Zahlen stimmen. Wenn das Team bereit ist. Wenn das Risiko versichert ist. Aber dann ist es zu spät. Führung beginnt nicht mit Zustimmung. Sie beginnt mit Klarheit. Und mit dem Mut, der Erste zu sein.
Gerdas Geschichte hat mir das heute wieder gezeigt. Sie führt ein technisches Nischenprodukt in internationale Märkte. Und macht daraus eine Haltung. Nicht laut. Aber klar. Nicht gefällig. Aber verbindlich. Und das Entscheidende: Sie beginnt bei sich selbst.
Das ganze Interview kannst du dir hier anschauen. Es lohnt sich. Weil man spürt, dass da jemand nicht aus Pflicht handelt, sondern aus Überzeugung. Und weil es Mut macht, selbst eine Entscheidung zu treffen.
Mutig sein heißt nicht, sich gut zu fühlen.
Es heißt, trotzdem zu tun, was dran ist. Ich habe in den letzten Jahren viele Gespräche geführt. Mit Unternehmern, mit Führungskräften, mit mir selbst. Immer wieder ging es um dieselbe Frage: Wann hörst du auf zu warten?
Vielleicht bist du gerade an so einem Punkt. Du weißt, was du zu tun hast. Du kennst die Richtung. Du hast alles durchdacht. Aber du tust es nicht. Weil’s unbequem ist. Weil jemand beleidigt sein könnte. Weil du nicht sicher bist, wie es ausgeht.
Und ich sage dir: Genau das ist dein Moment.
Also – ganz direkt:
Wozu fehlt dir der Arsch in der Hose?
Wie lange willst du noch hoffen, dass sich Dinge von allein verbessern?
Was vermeidest du zu tun, weil du weißt, es wird Konflikte geben?
Welche falsche Loyalität hält dich davon ab, das Richtige zu tun?
Wo musst du der Erste sein, der mutig handelt?
Vielleicht ist heute der Tag, an dem du losfährst. Nicht weil die Straße dir Sicherheit verspricht. Sondern weil du weißt, dass Bewegung besser ist als Stillstand.
Es gibt Straßen, die bringen dich weiter.
Und es gibt Straßen, die verändern dich.
Die Atlantikstraße ist beides.
Gebaut aus Mut – nicht aus Sicherheit.
Wenn du jemanden kennst, der genau das jetzt braucht: Schick ihm diesen Text. Und teil deine eigene Erkenntnis. Denn Führung beginnt mit dem ersten Schritt. Auch wenn du noch nicht weißt, wohin er führt.
Und morgen?
Geht’s weiter.
Ben Schulz ist Sparringspartner für Geschäftsführer und Führungsteams in klein- und mittelständischen Unternehmen, wenn es um deren Strategie und Transformationsprozessen geht. Der Vorstand des Beratungshauses Ben Schulz & Partner AG legt den Schwerpunkt seiner Tätigkeit, gemeinsam mit seinem Team, auf die Schwerpunkte Unternehmensleitbildentwicklung, Kulturwandel, Führungskräfteentwicklung und strategischen Unternehmersparrings, bei denen es um die Steigerung von Perfomance geht.