Eigentlich wollte ich heute über etwas anderes schreiben. Doch dann saß ich auf dem Motorrad. 370 Kilometer nach Mo i Rana. Kühle Luft, offener Blick, der Kopf leer – und doch voller Gedanken. Irgendwann kam sie. Meine Mutter. 2019 gestorben. Krebs. Ein Jahr lang haben wir sie gepflegt. Mein Vater, meine Frau Alex und ich. Zuhause. Bis zum Schluss.
Während ich fuhr, kam dieser eine Satz: „Mama, ich bin dir dankbar.“ Für das letzte Jahr. Für das, was du mir mitgegeben hast. Für deine Haltung. Und da wurde mir klar: Ich habe das nie so richtig ausgesprochen. Laut. Bewusst. Mit Herz.
Wie oft sagst du so etwas? Und wem?
Wir sind so beschäftigt mit dem, was noch fehlt. Was nervt. Was nicht läuft. Dauerempörung auf allen Kanälen. Die Politik. Das Wetter. Die anderen. Dabei verlieren wir das, was längst da ist: das Gute. Das Tragende. Das, was du als selbstverständlich hinnimmst – bis es plötzlich weg ist.
Dankbarkeit ist kein Kuschelthema. Sie ist ein Kompass.
Deine Gedanken werden deine Worte. Deine Worte werden deine Entscheidungen. Und die zeigen, wer du bist.
Wenn du dich auf Mangel fokussierst, wirst du ihn vermehren. Wenn du dich auf Druck fokussierst, wirst du hart. Aber wenn du beginnst, dich auf das zu konzentrieren, was trägt – verändert sich deine Energie. Deine Präsenz. Deine Führungswirkung.
Im Buch „Führungskräfte als Hoffnungsträger“ (S. 34) schreibe ich über Einflussbereiche. Genau da beginnt Führung: nicht bei den anderen. Sondern bei dir. In deinem Fokus. In deiner Haltung.
Ich habe irgendwann angefangen, abends im Bett still durchzugehen, wofür ich an diesem Tag dankbar bin. Drei Dinge. Kein Tagebuch. Kein Ritual. Nur ein kurzer Moment. Ich schlafe dabei meist ein. Und ich glaube, es tut mir gut.
Heute bin ich dankbar, dass ich diese Reise machen darf. Dass meine Frau Alex sie mitträgt. Dass mein Team mich stützt. Für meine Kinder. Für echte Freunde. Für ein Dach über dem Kopf. Für unsere Gesundheit. Ja, klingt banal. Und genau da liegt das Problem: Du nimmst zu vieles als selbstverständlich hin.
Führung beginnt nicht bei deinen Mitarbeitenden. Sie beginnt bei deiner inneren Ausrichtung.
Vielleicht denkst du, Dankbarkeit sei Privatsache. Ist sie nicht. Sie zeigt sich in deiner Sprache. In deinem Blick. In deiner Haltung. Und vor allem: in dem, was du nicht sagst.
Wann hast du deinem Team zuletzt ehrlich gedankt? Nicht für ein Projekt. Sondern für Vertrauen? Für Ausdauer? Für Mitgehen? Wenn du das nicht kannst – wie willst du dann jemals echte Bindung schaffen?
Was du wertschätzt, wächst. Was du nicht siehst, verwelkt.
Auf Seite 46 des Buches geht es um die selbsterfüllende Prophezeiung. Da steht: „Energie folgt Richtung.“ Und deine Richtung entscheidet, wie du dich morgens im Spiegel anschaust – und wie dein Team dich sieht.
Deshalb: Stell dir diese fünf Fragen. Keine Ausflüchte. Keine Ausreden.
1. Wann hast du deiner Partnerin oder deinem Partner zuletzt wirklich gedankt – nicht für eine Leistung, sondern für die Konstante, die sie oder er in deinem Leben ist?
2. Wem in deinem Team verdankst du deinen letzten großen Erfolg – und hat diese Person das von dir gehört?
3. Wann hast du deinen Kindern zuletzt gezeigt, dass du dankbar bist, wer sie sind – nicht nur, wenn sie funktionieren?
4. Wer hat dir im letzten Jahr die ehrlichste Rückmeldung gegeben – und hast du das als Geschenk oder als Störung behandelt?
5. Was in deinem Leben ist längst zum Alltag geworden – obwohl es eigentlich ein täglicher Grund zur Dankbarkeit wäre?
Wenn du jemanden kennst, der diesen Text gerade brauchen kann – dann schick ihn weiter. Und teile deine eigene Erkenntnis.
Denn vielleicht ist genau heute der Tag, an dem du wieder neu lernst, bewusst hinzuschauen. Nicht auf das, was fehlt. Sondern auf das, was trägt.
Bis morgen, Ben
Ben Schulz ist Sparringspartner für Geschäftsführer und Führungsteams in klein- und mittelständischen Unternehmen, wenn es um deren Strategie und Transformationsprozessen geht. Der Vorstand des Beratungshauses Ben Schulz & Partner AG legt den Schwerpunkt seiner Tätigkeit, gemeinsam mit seinem Team, auf die Schwerpunkte Unternehmensleitbildentwicklung, Kulturwandel, Führungskräfteentwicklung und strategischen Unternehmersparrings, bei denen es um die Steigerung von Perfomance geht.