Heute früh war ich etwas nervös. 250 Kilometer bis zum Nordkap. Die letzte Etappe. Der Asphalt unter mir rau, der Wind direkt 8 Grad, der Blick weit. Aber in mir? Ein Sturm. Nicht wegen der Strecke. Sondern wegen dem, was diese Reise mit mir macht. 2.966 Kilometer allein mit meinen Gedanken. Norwegen, wie ein Schweigekloster auf zwei Rädern.
Manchmal liefen die Zweifel mit wie Schatten. Manchmal hörte ich zwei Stunden laut Countrymusik im Helm. Ich dachte über meine Familie nach. Über meine Kinder. Über Entscheidungen mit Kunden, mit Mitarbeitern. Und irgendwann stellte ich mir die eine Frage: Wer sitzt eigentlich bei mir am Steuer?
Ich musste an mein eigenes Konzept denken – die Omnibus-Methode (www.omnibus-methode.de), die ich in meinem Buch „Führungskräfte als Hoffnungsträger“ beschreibe (S. 29). Diese Methode zwingt dich, ehrlich hinzuschauen. Wer steuert dich wirklich – deine Klarheit oder deine Angst? Deine Vision oder deine Bequemlichkeit?
Der Moment kam, in dem ich mich selbst fragte:
Habe ich selbst noch Hoffnung?
Ich rede viel darüber. Ich schreibe, halte Vorträge, berate Unternehmen. Aber fühle ich sie selbst? Oder bin ich längst der Hampelmann auf der Bühne, der noch das letzte bisschen Mut in den Raum wirft, während er innerlich schon leerläuft?
Und dann war da plötzlich mein Nordstern wieder da. Glasklar:
„Ich will Menschen und Organisationen sicher und kraftvoll über Grenzen in neues Land führen.“
Nicht weil das schön klingt. Sondern weil es das Einzige ist, was für mich Sinn ergibt. Ich will nicht größer, nicht smarter, nicht lauter. Ich will wirksam sein. Und das geht nur, wenn ich Hoffnung nicht als Schlagwort behandle – sondern als Entscheidung.
Was es heißt, Hoffnungsträger zu sein
Hoffnung ist kein Wellnessprogramm. Keine PR-Kampagne. Sie ist harte Arbeit. An dir selbst. An deiner Haltung. Am Mut, Verantwortung zu übernehmen, wenn andere wegtauchen. Wenn du führen willst, brauchst du einen inneren Kompass – und den Mut, ihm zu folgen.
In meinem Buch beschreibe ich sechs Prinzipien, die ich heute nötiger finde denn je:
Selbstführung stärken
Wenn du deine Emotionen nicht führen kannst, wirst du von ihnen geführt. Kognitiv, emotional, verhaltensbezogen, vital – vier Ebenen, auf denen du dir selbst auf die Schliche kommen musst. Mehr dazu in Kapitel „Die vier Formen der Selbstführung“ (S. 47).
Auf den Einflussbereich fokussieren
Du kannst nicht das Weltgeschehen ändern. Aber du kannst entscheiden, wie du heute deinem Team begegnest. Wie du kommunizierst. Wie du entscheidest. Führung beginnt dort, wo Ausreden enden.
Zukunftsbilder schaffen
Dein Team braucht keine weitere To-Do-Liste. Es braucht einen Horizont. Eine Vorstellung, wofür sich der Einsatz lohnt. Wenn du kein Bild von morgen zeichnest, bleibt nur das Chaos von heute.
Führen nach Prinzipien
Resultatorientierung. Systembeitrag. Fokus. Stärken. Vertrauen. Positives Denken. Das sind keine Buzzwords, sondern Grundhaltungen. Wer sie nicht lebt, verliert Orientierung – und damit Wirkung.
Mut zur Ungewissheit
Sicherheit ist eine Illusion. Führung heute heißt, sich mitten ins Unklare zu stellen. Nicht wissen, aber trotzdem gehen. Nicht sicher sein, aber trotzdem entscheiden.
Vorbild sein – auch wenn keiner zuschaut
Dein Team spürt, wenn du nur funktionierst. Wenn du tust, was man von dir erwartet. Aber Hoffnung gibst du, wenn du zeigst, wer du bist. Wenn du dich zeigst. Ungefiltert. Echt.
Ein Schloss für die Hoffnung
Heute am Nordkap haben Alex und ich ein graviertes Schloss angebracht – mit unseren Namen und Hochzeitsdatum. Vor neun Jahren haben wir dieses zur Hochzeit geschenkt bekommen. Nie den passenden Ort dafür gefunden. Heute haben wir es hier befestigt, weil der Ort und der Moment genau der richtige war. Weil wir noch viel miteinander erleben wollen. Weil Liebe auch Führung ist. Und weil Hoffnung manchmal genau dort beginnt: bei dem einen Menschen, mit dem du alles teilst. Auch das, was schwer ist.
Führung braucht Kante. Keine Tarnung.
Bevor du weiterklickst – schau dir diese Fragen an. Nicht rhetorisch. Nicht nett. Ganz konkret. Für dich:
1. Was verschweigst du aus Angst, angegriffen zu werden – obwohl du innerlich klar bist?
2. Welche Haltung lebst du nur, wenn jemand zuschaut?
3. Was würde passieren, wenn du endlich sagst, was du wirklich denkst?
4. Wie oft kommentierst du – anstatt Richtung zu geben?
5 .Wann hast du deinem Team zuletzt ein klares Bild der Zukunft vermittelt – statt nur To-Dos?
6. Was kannst nur du sagen, was anderen Hoffnung gibt – aber du tust es nicht?
7. Was ist dein Nordstern – beruflich, privat, persönlich?
Wenn dich eine dieser Fragen trifft: Dann bist du näher dran, als du denkst.
Wenn du jemanden kennst, der diese Zeilen gerade brauchen kann – schick sie weiter. Und teil deine Erkenntnis.
Denn Hoffnung verbreitet sich nur, wenn wir sie teilen.
Und wenn du bereit bist, dein Steuer wieder in die Hand zu nehmen:
Dann ist jetzt der Moment.
PS: Wie sagt man so schön... man sieht sich immer dreimal im Leben. Wir kommen auf den Parkplatz am Nordkap an und ich sehe dort sofort das Motorrad „meines Italieners“ stehen. Ich habe mir online 2 Sätze ins italienische übersetzten lassen und in mein Buch geschrieben und ihm geschenkt. Wir haben uns über sein Handy mit Hilfe eines Übersetzungsprogramms kurz unterhalten und herzlich gelacht. Nun weiß ich auch wie er heißt, Giovanni, 74 Jahre. Mein persönlicher Hoffnungsträger für´s Alter .
Ben Schulz ist Sparringspartner für Geschäftsführer und Führungsteams in klein- und mittelständischen Unternehmen, wenn es um deren Strategie und Transformationsprozessen geht. Der Vorstand des Beratungshauses Ben Schulz & Partner AG legt den Schwerpunkt seiner Tätigkeit, gemeinsam mit seinem Team, auf die Schwerpunkte Unternehmensleitbildentwicklung, Kulturwandel, Führungskräfteentwicklung und strategischen Unternehmersparrings, bei denen es um die Steigerung von Perfomance geht.