Gutes Management wird oft mit Betriebsamkeit verwechselt: Immer viel zu tun, als Erster kommen und Letzter gehen und vor allem immer umtriebig und geschäftig sein. Kommt ein Mitarbeitender einem entgegen und fragt etwas, ist die Antwort stets: „Ich habe keine Zeit.“ Vor kurzem sagte dies auch eine Führungskraft in einem Seminar: „Ich habe keine Zeit für Personalgespräche. Mein Kalender ist voll.“ Sie können sich vielleicht vorstellen, wie die Gesichtszüge der Anwesenden in diesem Moment entgleist sind – es war höchste Zeit, hier über Führung zu sprechen. Thema heute: das dritte Grundprinzip aus Maliks „Führen, Leisten, Leben“ – Die Konzentration auf das Wesentliche.
Konzentration und Fokus sind entscheidende Schlüssel für Erfolg, Zielerreichung und Ergebnisse. Beschreiben lässt sich diese zum Beispiel mit dem Tunnelblick, der einen klaren Fokus auf eine Sache lenkt oder mit einem Laser, der messerscharf auf einen Punkt gerichtet ist. Konzentration ist somit das Gegenteil von Geschäftigkeit – sie kann bedeuten, dass man während der Arbeitszeit aufsteht, eine Runde spazieren geht, auf der Parkbank sitzt und über ein Thema nachdenkt. Konzentration kann ebenfalls darin bestehen, sich überhaupt erstmal den Kopf freizumachen. Wer hingegen nur ohne Sinn und Verstand To-do-Listen abarbeitet, alles, was per Mail reinkommt, sofort beantwortet und auf jedes Signal von außen reagiert, weiß nicht, was Konzentration ist.
Zeitmanagement verspricht noch keine Konzentration
Es gibt unterschiedliche Hilfsmittel, um Konzentration zu erlangen. Zu den Klassikern gehört das Zeitmanagement – doch sorgt dieses tatsächlich für mehr Fokus? Das ist nicht der Fall, wenn die Zeit einfach nur gemanagt wird und das Ziel vollkommen unklar ist. Es mag auch sein, dass Ihnen jetzt drei Stunden zur Verfügung stehen, um zehn Dinge zu erledigen. Wenn Sie das schaffen, ist doch alles gut, oder? Es heißt aber noch lange nicht, dass Sie dabei auch konzentriert sind und verstanden haben, was die zentrale Bedeutung dahinter ist.
Was ist das Wesentliche?
Das Wesentliche lässt sich auf zwei Dimensionen herunterbrechen: Zum einen sind es die 80 %, die ein Thema bewegen. Der dominierende Faktor. Zum anderen geht es um Ursache und Wirkung. Deutlich wird dies anhand eines einfachen Denkmodells von Toyota. Dort wird fünfmal „Warum?“ gefragt. Nehmen wir zum Beispiel den Mitarbeitenden an der Produktionsstraße. Er ist hintendran, bekommt eine auf den Deckel und wird gefragt, warum er so langsam ist. Die offensichtliche Frage ist, worin das Problem besteht, dass er es nicht in der vorgeschriebenen Zeit hinbekommt. Stellt man jetzt fest, dass er immer das gleiche Problem bei der Einstellung der CNC-Maschine hat, liegt es nicht mehr am Produktionsmitarbeitenden, sondern am Programmierenden. Dieser sagt, dass er genau nach Spezifikation gearbeitet hat, was stimmt. Also geht der nächste Schritt zu den Spezifikationen – warum sind diese so vorgegeben? Sie kommen von jemandem, der gar keine Ahnung von der Linie hatte. Er hat es nach bestem Wissen und Gewissen gemacht, aber keinerlei Kenntnisse über die konkrete Situation des Mitarbeitenden, der am Ende der Kette steht. Das sind Ursache und Wirkung. Stellen sich Unternehmen fünfmal die Frage nach dem Warum, wird spätestens bei der letzten Antwort die Ursache klar.
Ablenkungsmanöver – der Killer für Konzentration
Ablenkung: Kennen wir alle. Das fängt schon damit an, dass Menschen in Besprechungen auf ihr Handy schauen. Auch die sozialen Medien locken immer wieder mit Ablenkung – noch schnell auf den neuesten Post schauen, checken, wie die eigenen Botschaften ankommen, einen Kommentar abgeben usw. oder auch nur der Vogel, der vor dem Fenster versucht, eine Nuss zu knacken. Ablenkungen gibt es überall. Aus diesem Grund hatten wir in unserem Unternehmen eine Konzentrationszeit eingeführt. Morgens gab es zwei Stunden, in denen sich jeder Mitarbeitende auf seine Arbeit konzentrieren konnte. Keine Mails, keine Gespräche, keine Störung von anderen. Viele der Mitarbeitende haben gespiegelt, dass ihnen das geholfen hat, was zeigt, wie wichtig es ist, Ablenkungen einzudämmen. Außerdem leben wir heute in einer Zeit, in das Multitasking großgeschrieben wird. Am besten sollten alle Dinge gleichzeitig erledigt werden. Dabei können wir uns meist nur auf eine Sache konzentrieren. Da stellt sich für Führungskräfte die Frage, welche das sein sollte. Denken wir hier an die Eisenhower-Matrix. Schlagworte: wichtig und dringend. Bei vielen Führungskräften hapert es allerdingst bereits daran, die richtigen Prioritäten zu setzen. Was ist wirklich wichtig und dringend? Und nein, nicht alles ist es.
Kleinigkeiten töten die Konzentration
Oftmals sind es Kleinigkeiten, die uns ablenken. Dinge, die absolut keine Relevanz haben. Je höher jedoch Führungskräfte in der Hierarchie sind, desto mehr ist das, was sie entscheiden, sagen oder tun richtungsweisend. Also muss die Konzentration genau auf diesen wesentlichen Themen liegen. Zum Beispiel auf dem Umgang mit Mitarbeitenden. Diese haben einen immer größeren Anteil, sowohl auf der Kostenseite als auch bei der Wettbewerbsfähigkeit. Die Technik wird zunehmend günstiger und austauschbarer, die Mitarbeitenden hingegen immer wichtiger. Wenn nicht verstanden wird, wie wichtig die Menschen sind, dann wird sich auf das falsche Thema konzentriert. Das war auch bei der Eingangs erwähnten Führungskraft so, die angeblich keine Zeit für Personalgespräche hat. Es sollte eine Selbstverständlichkeit sein, im Kontakt mit seinen Leuten zu stehen, denn in Unternehmen geht es um Menschen und sie sind nun mal keine Maschinen. Das Wesentliche für Führungskräfte ist die Führung von Menschen, für die sie Verantwortung haben.
Das Verfehlungskarussell
Von was lassen sich viele noch ablenken? Nennen wir es das Verfehlungskarussell, das sich permanent im Kreis dreht. Ist etwas schiefgelaufen, wird die Konzentration auf die Schuldfrage gelenkt. War es die andere Führungskraft, der Mitarbeitende? Innenpolitik ist ein enormes Thema, das Konzentration verschluckt und am Ende dreht es sich doch nur im Kreis und kommt zu keinem Abschluss. Es ist viel zielführender, die Konzentration in die richtige Richtung zu lenken. Walter Kohl zum Beispiel stellte seinen Mitarbeitenden nach einem Kundenbesuch folgende Fragen: Was wurde gesagt und was wurde geschrieben? Was wurde nicht gesagt und nicht geschrieben? Sprich, was steht zwischen den Zeilen. Dadurch waren die Mitarbeitenden zum einen konzentrierter und aufmerksamer und konnten anschließend deutlich besser herausarbeiten, welche Untiefen im Projekt, in der Beziehung zum Kunden usw. bestehen.
Selbstsabotage – wollen Sie den Fokus überhaupt?
Ein zweiter großer Faktor, der die Konzentration auf das Wesentliche trübt, ist die Selbstsabotage. Diese erlebe ich oft bei Führungskräften im Sparring. Dort gibt es nur wenig Wissen darüber, was die eigenen Werte, Antreiber und Glaubenssätze sind. Was also steuert ihr Denken, Fühlen und Handeln den ganzen Tag? Vor allen Dingen Glaubenssätze werden gerne „gefüttert“, zum Beispiel, man sei nur das wert, was man leiste. Ist das ein Thema, kommt es immer wieder zur Selbstsabotage und dazu, dass der Fokus verloren geht. Gerade ältere Führungskräfte haben häufig das Problem, dass der technologische Wandel, Veränderungen, auch Wahrheiten, die früher einmal richtig waren, überholt sind und sie sich dann die Frage stellen: Bin ich hier noch richtig?
Disziplin und Erkennen
Ein wesentlicher Punkt, der mir bei dem Thema Konzentration geholfen hat, ist zu verstehen, was meine intrinsischen Motivatoren sind. Diese machen deutlich, wie ich mich in einem Modus der Konzentration führen kann. Denn Phasen, sich auf das Wesentliche zu konzentrieren haben ebenfalls mit Selbstführung zu tun. Es braucht Disziplin und das Erkennen, dass es auch einmal zwei Stunden oder einen halben Tag dauern kann, um sich mit einem Thema zu beschäftigen. Dazu gibt es einen schönen Witz, der zum Nachdenken anregt: Zwei Manager stehen an einem Sägeblock und sägen wie wahnsinnig an einem großen Stück Holz. Aber es geht nicht wirklich voran. Da kommt ein Dritter vorbei und sagt: „Was macht ihr denn da?“ Schweißüberströmt stöhnen sie: „Ja, wir sägen wie verrückt, wir sägen und sägen und sägen.“ Und dann sagt der Dritte: „Aber warum nutzt ihr denn kein scharfes Sägeblatt?“ Die Antwort der beiden: „Wir haben keine Zeit für sowas, wir müssen sägen, sägen, sägen.“