Wie besetze ich eine Führungsposition?

In jedem Unternehmen stellt sich immer wieder die Frage, ob die vakant werdenden Führungspositionen mit den eigenen Mitarbeitenden oder Externen besetzt werden sollen. Denn sind wir mal ehrlich, der Klassiker ist doch, den zu nehmen, der schon am längsten dabei ist. Er kennt das Unternehmen, die Mitarbeitenden und die Zielrichtung. „Neue“ krempeln oftmals hochmotiviert alles von rechts auf links. Das passiert hingegen selten mit jemandem aus dem eigenen Stall. Aber machen es nicht gerade diese neuen Impulse aus, mal aus dem altbewährten Trott zu kommen? Oder gibt es die vielleicht sogar konstruktiver aus den eigenen Reihen?

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Gerade im Mittelstand ist das Thema „Wie besetze ich eine Führungsposition“ ein heikles Thema. Denn hier treffen verschiedene Herausforderungen aufeinander. Ganz besonders, wenn der Unternehmer nach dem Führungsprinzip „Zirkuszelt“ seine Firma leitet … 
 

Das Führungsprinzip „Zirkuszelt“

In der Mitte des Zirkuszelts steht eine Stange. An dieser hängt das ganze Zelt. Die Seile, welche nach allen Richtungen gespannt sind, stellen die Führungskräfte dar. Die Stange in der Mitte ist der Chef, der Eigentümer. Am Ende entscheidet er alles. Die Führungskräfte sind eigentlich nichts anderes als Sachbearbeiter. Sollen diese nachbesetzt werden, sucht der Chef keine Führungskräfte im klassischen Sinne, sondern lediglich neue Befehlsempfänger. 
 

Es ist gar nicht so lange her, dass ich ein Unternehmen betreut habe, in welchem genau dies gelebt wurde. Status quo: Ein Laden mit 150 Mitarbeitenden, einem Unternehmer von knapp 70 Jahren, seine Frau schmiss in der HR-Abteilung den Bereich Personal. Bei meinem Gespräch mit dem Chef stellte ich irgendwann die Frage: „Ist das Thema Generationswechsel schon in der Planung?“ Und dann wurde es interessant. „Ja, haben wir, aber noch nicht so richtig.“ Mit am Tisch saßen noch vier weitere Personen: jemand aus dem Vertrieb, der Produktion, der Konstruktion und aus dem Marketing. Meine nächste Frage war: „Wie sehen denn eigentlich die Führungsstrukturen aus? Also wer sitzt denn auf Führungspositionen? Gibt es Abteilungsleiter?“ Alle schauten mich groß an und sagten: „Nein, das gibt es bei uns nicht.“ 

Meine spontane Reaktion war: „Chapeau, dass das mit 150 Leuten über so einen langen Zeitraum funktioniert hat.“ Die zweite Reaktion: „Wie sind Sie denn auf die Idee gekommen, nie eine Führungsebene im Unternehmen zu etablieren?“ Die Antwort war wieder unerwartet: „Wir haben damit nur schlechte Erfahrungen gemacht. Auch als uns externe Berater dabei unterstützten. Es brachte nur Unruhe. Plötzlich wurde sich gestritten, wer welchen Firmenwagen möchte, es gab Ärger wegen Parkplätzen und Urlaubszeiten. Und schnell war der Punkt gekommen, an dem wir sagten, nein, so geht das nicht weiter, das wollen wir nicht und daher haben wir das ‚Experiment Führungsebene‘ wieder eingestellt.“ 

Da war ich schon schwer beeindruckt, denn das war sein voller Ernst. Führungsprinzip „Zirkuszelt“ bei 150 Mitarbeitenden, das muss man erstmal schaffen. Die Frage „Wie besetze ich eine Führungsposition“ stellte sich hier gar nicht. 

Die Nachfolgefrage stellt sich meist nicht über Nacht 
 

Herr Müller ist 59 Jahre alt. Da darf man nicht überrascht sein, dass er in drei Jahren in den Ruhestand gehen wird. Wenn ich mir als Unternehmer nicht gezielt die Mühe mache, Führungskräfte nachzuentwickeln, darf ich mich nicht wundern, wenn keiner da ist. Ich erachte es als unternehmerische Verantwortung, vorausschauend zu planen, dass jemand Kompetentes nachrücken kann. 
 

Bilde perspektivisch Deinen eigenen Führungskräftepool 

Fische im eigenen Teich und schaue, wer im eigenen Unternehmen in der Lage ist, die Position zu übernehmen. Und vor allem: binde sie frühzeitig mit ein. Ja, das kann auch zu Reibungen führen. Herr Müller lässt sich vielleicht nicht gerne von einem Jüngeren sagen, man könne einen Prozess auch mal anders machen. Solche konstruktiven Konflikte sollten Teil einer Unternehmenskultur sein. Konflikte im Sinne einer kreativen Kraft der Zerstörung, der Zerstörung von Ritualen und Gewohnheiten. Und als Unternehmer habe ich zu schauen, warum gibt es denn diese Reibereien überhaupt? Was trage ich als Eigentümer dazu bei? Was ist mein Beitrag, dass ich Uneinigkeit in der Firma habe und meine Führungskräfte nicht funktionieren? In Führungskräftecoachings kann man da durchaus provokant werden, so wie Walter Kohl es einmal tat. Während des Gespräches ließ sich der Eigentümer in der Runde unflätigst über seine Geschäftsführung aus. Walter Kohl schaute sich um und sagte: „Das ist ja ganz furchtbar. Was sind das für schreckliche Leute? Ich möchte mal wissen, welcher Idiot die eingestellt hat.“ 

Es ist wie im Fußball. Der Trainer hat die Aufgabe, eine Mannschaft aufzubauen. Und damit nicht alles in sich zusammenfällt, wenn der Stürmer oder Torwart mal ausfällt, gibt es für jede Position einen Ergänzungsspieler. Und Nachwuchsspieler. Genau das ist auch die Aufgabe eines Mittelständlers. Und wenn er das nicht will, ist das seine Entscheidung, wie bei dem Unternehmer mit 150 Mitarbeitenden. Aber dann darf man sich auch nicht beschweren, wenn der Nachwuchstopf leer ist. 

Achte bei der Besetzung auf Neigung und Eignung 

Kürzlich arbeitete ich mit einem Führungsteam in unseren Seminarräumen. Im Laufe der Zusammenarbeit kamen wir zu den Fragen: „Haben wir uns für diese Funktion wirklich entschieden?“ „Was ist meine Rolle in dem Ganzen?“ Und einer der Teilnehmer sagte ganz offen vor der versammelten Mannschaft: „Na ja, eigentlich wollte ich diese Führungsposition nie. Aber es war keiner da, der es gemacht hätte.“ Da musste nicht nur sein Chef schlucken. Denn das Verrückte war, dass darüber nie gesprochen worden war und er schon seit einer sehr langen Zeit diese Position innehatte. 

Ich finde das Thema „Lückenbüßer“ wirklich spannend. Denn hier wurde ein Führungsdefizit sichtbar, denn von Inhaberseite wurde gar nicht erkannt, wie unglücklich dieser Mensch war. Die unternehmerische Verantwortung wäre zu sehen: „Aha, ich habe hier jemanden, der übernimmt das zwar gerade, aber das ist keine Dauerlösung.“

Ein anderes Beispiel: Der Inhaber setzte einen neuen Geschäftsführer in einem Unternehmenszweig ein, welcher vor allem durch Corona sehr gebeutelt worden war. Und da wurde dieser neue CEO installiert, der weder Kompetenzen in diesem Bereich mitbrachte, geschweige denn wusste, wie Krisenzeiten zu durchlaufen sind. Der Inhaber hatte schlichtweg die Hoffnung, der „Neue“ würde das Ruder schon herumreißen. Allerdings hatte er sich im Vorfeld nie wirklich Gedanken gemacht, wie die Position angesichts der anstehenden Herausforderungen idealerweise zu besetzen ist. 

Kenne alle Anforderungen der vakanten Position, erst dann schaue nach der idealen Besetzung 

Bevor ein Unternehmer sich Gedanken darüber macht, wie eine Führungsposition zu besetzen ist, sollte er genau wissen, welche Anforderungen diese an die Person hat. Was sind die Probleme, welche die Führungskraft zu lösen hat? Welche Schwerpunkte hat sie? Ist fachliche Kompetenz gefragt oder der Aufbau eines Teams? Welche Probleme gilt es nach rechts und links zu anderen Abteilungen zu bewältigen? 

Sind diese Anforderungsprofile geklärt, gilt es in einem nächsten Schritt zu schauen: Habe ich Leute, die mit einer realistischen Zeitvorgabe die Fähigkeit haben oder dahin entwickelt werden können. Und erst, wenn ich feststelle, da gibt es echt niemanden, ziehe ich los und suche einen Externen. Ich empfehle allerdings, dass der Unternehmer die Wahl nicht allein trifft, sondern auch diejenigen einbezieht, die an den Schnittstellen sitzen. Schließlich sollen alle an einem Strang ziehen. 

Ich nehme da gerne das Bild „Mensch, Situation, Ergebnis“. Diese drei Dinge müssen zusammenpassen. Worauf ich hinaus will: Wenn ich eine Position neu besetze, sollte mir als Unternehmer bewusst sein, ob die Führungskraft – egal ob intern oder extern rekrutiert – verstanden hat, was das Unternehmensziel ist. Und – fast noch wichtiger – sich mit diesem identifiziert. 

Nun kann man Menschen in Bewerbungssituationen nicht hinter die Stirn schauen, insbesondere, wenn es um ihre intrinsische Motivation geht. Daher empfehle ich spezielle Auswahlmechanismen und Instrumente, die die Möglichkeiten schaffen, das Warum und das Wofür einer Person fühlbar zu machen. Um besser entscheiden zu können, ob er oder sie genau der oder die Richtige für die Position und das angestrebte Ergebnis ist. Denn schließlich geht es um nichts weniger als um die Passgenauigkeit bezüglich der Persönlichkeit und der Situation.

Sie sehen, die Frage „Wie besetze ich eine Führungsposition“ ist alles andere als trivial, aber auch nicht unlösbar. Und wie bei vielen anderen Themen ist der Unternehmer der Schlüssel zur Lösung. 

Ben Schulz
Autor: Ben Schulz

Ben Schulz ist Sparringspartner für Geschäftsführer und Führungsteams in klein- und mittelständischen Unternehmen, wenn es um deren Strategie und Transformationsprozessen geht. Der Vorstand des Beratungshauses Ben Schulz & Partner AG legt den Schwerpunkt seiner Tätigkeit, gemeinsam mit seinem Team, auf die Schwerpunkte Unternehmensleitbildentwicklung, Kulturwandel, Führungskräfteentwicklung und strategischen Unternehmersparrings, bei denen es um die Steigerung von Perfomance geht.




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