Auch eine im Januar im Auftrag von Xing E-Recruiting durchgeführte Berfragung des Meinungsforschungsinstituts Forsa unter 2.523 Arbeitnehmenden aus Deutschland, Österreich und der deutschsprachigen Schweiz zeigt, dass die Hälfte der Befragten im letzten Jahr mindestens einmal daran gedacht hat, die Arbeitsstelle zu wechseln.
Es wird der Führung gekündigt
Die Motive, über eine neue Tätigkeit nachzudenken, seien dabei nicht identisch mit den tatsächlichen Beweggründen, beim aktuellen Arbeitgebenden zu kündigen, so die Studie. Wir alle kennen den Spruch „Es wird nicht dem Unternehmen, sondern der Führung gekündigt.“ Dieser trifft auch hier zu: Fast drei von zehn Befragten (28 %) sehen die Führung als Anlass für einen Wechsel.
Die entscheidende Frage ist: Was können Führungskräfte und Unternehmen tun, um die hohe Fluktuation zu stoppen?
Fluktuation ist teuer
Eine hohe Fluktuation ist für Unternehmen eine energieaufwendige und teure Angelegheit. Neben Kosten im Recruiting zum Beispiel für Stellenanzeigen und Kapazitäten des HR-Personals, für das Onboarding und evtl. Rechtsstreits führt eine hohe Fluktuation zu:
- Kompetenzverlust: wertvolles Know-how geht verloren.
- Instabilen Kundenbeziehungen: Kündigen Angestellte, die über einen längeren Zeitraum zentrale Ansprechpartner für KundInnen waren, kann das die geschäftlichen Beziehungen des Unternehmens gefährden.
- Mangelnde Motivation: Mitarbeiter, die ihre Kündigung eingereicht haben, sind in den letzten Wochen bzw. Monaten ihrer Tätigkeit oftmals weniger produktiv.
- Imageverlust: Ist ein Unternehmen dafür bekannt, dass Mitarbeitende dort nach kurzer Zeit wieder gehen, wird das Image negativ beeinflusst.
Um dies zu verdeutlichen möchte ich gerne zwei Beispiele anführen.
Amazon – ein Drittel bleibt nur 90 Tage
Amazon ist nicht gerade bekannt für seine tollen Arbeitsbedingungen und auch die Unternehmenskultur wird immer wieder kritisch hinterfragt. Zwar schafft das Unternehmen viele Arbeitsplätze, aber wenig langfristige Perspektiven für die Menschen, die diese annehmen. Laut internen Dokumenten, die dem Onlineportal „Engadget“ vorliegen, bleibt nur ein Drittel der 2021 neu angestellten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter länger als 90 Tage im Unternehmen.
2020 lag die Fluktuationsrate in Amazons Lagerhäusern im Bundesstaat New Jersey bei etwa 124 Prozent – und war damit doppelt so hoch wie im Industriedurchschnitt. Somit verlor Amazon dort wöchentlich mehr als zwei Prozent seiner Belegschaft, wie ein Bericht des „National Employment Law Project“ (NELP), eines Thinktanks aus New York City, zeigt.
In allen Unternehmensbereichen wird der überwiegende Teil der Kündigungen von der Arbeitnehmerseite ausgesprochen. Je nach Position im Unternehmen liegt der Anteil dieser zwischen knapp 69,5 und 81,3 Prozent.
Als Gründe für die hohe Fluktuation nennt der NELP-Bericht nicht einhaltbare Leistungsvorgaben, hohe Verletzungsraten, ständige Überwachung am Arbeitsplatz und damit einhergehende Disziplinarmaßnahmen, absichtlich geringe Aufstiegschancen und viele befristete Arbeitsverträge. Das Urteil über Amazon als Arbeitgeber fällt vernichtend aus: Amazon schaffe „Sackgassenjobs“ und interessiere sich nicht für die Auswirkungen einer solchen Unternehmenskultur auf seine Angestellten und deren Familien.
Würth – die Mitarbeitenden fühlen sich wohl
Beim deutschen Traditionsunternehmen Würth hingegen liegt die Fluktuation bei unter 5 %. Reinhold Würth, der ab 1958 das Handelsunternehmen zum internationalen Markführer aufbaute, begründet das in einem Interview in der WirtschaftsWoche wie folgt: „Wir haben ein unglaublich solides Unternehmen mit einer sehr geringen Fluktuation – unter 5 % aller Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter pro Jahr. Das heißt: Die Mitarbeitenden fühlen sich bei uns wohl. Nie habe ich etwas verlangt, das ich nicht selbst bereit wäre, zu tun. Für mich ist Arroganz die ekelhafteste Eigenschaft, die ein Unternehmer haben kann. Das sehe ich heute als meine große Aufgabe an, die Arroganz vom Unternehmen fernzuhalten. Deshalb führe ich manches Vier-Augen-Gespräch mit einer Führungskraft, um sie auf den Boden der Mitmenschlichkeit zurückzuholen. Dafür sind sie oft dankbar.“