| Ben Schulz

Worauf habe ich als Führungskraft wirklich Einfluss?

Wir alle kennen sie, diese Momente des Frusts und der Wut, in denen wir uns zum Beispiel über unsere Mitmenschen aufregen: „Der ist einfach die Inkompetenz in Person!“, oder „Boah, fahr doch endlich, grüner wird’s nicht!“ – solche Gedanken schleichen sich immer mal wieder in unseren Kopf. Immerhin sind wir Deutschen als regelrechte Meister im Nörgeln und Klagen bekannt. Es scheint fast in unserer DNA zu liegen, uns über alles und jeden zu beschweren. Aber mal ehrlich: Hat uns dieses endlose Meckern jemals wirklich etwas gebracht?
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Die einfache Antwort: Nein. Ich meine, ist über Nacht schon jemals ein magischer Wandel über die Person eingetreten, die wir als inkompetent abgestempelt haben? Hat der Autofahrer plötzlich schneller das Gaspedal gefunden, nachdem wir uns selbst am Lenkrad über ihn aufgeregt haben? Oder haben unsere Mitarbeitenden etwa plötzlich aufgehört, Fehler zu machen? In einem Märchen würde das vielleicht passieren, in der Realität aber ganz eindeutig nicht. 

Das bedeutet, wir verschwenden eine erhebliche Menge unserer Zeit und Energie damit, uns über Dinge aufzuregen, auf die wir überhaupt keinen Einfluss haben. Die Liste ist endlos. Und das Schlimmste daran ist, dass wir als Führungskräfte so viel zu tun haben, dass kein Schulkind jemals freiwillig in unsere Fußstapfen treten würde. Da bleibt eigentlich keine Zeit für sinnloses Gejammer. Also lassen Sie uns Schluss machen mit dem sinnlosen Meckern, das niemandem etwas bringt. Lassen Sie uns unsere Energie sinnvoll nutzen, um wirklich etwas zu verändern. 

Die Erkenntnis, dass der eigene Einflussbereich endlich ist

Zuerst einmal müssen wir eine wichtige Erkenntnis verinnerlichen: Jeden Tag sind wir Situationen, Menschen und Geschehnissen ausgesetzt, auf die wir keinen Einfluss haben. Wenn es regnet, regnet es; egal, ob wir uns auf eine Motorradtour gefreut hatten. Und wenn ein Mitarbeitender im Meeting mit einem wichtigen Kunden so richtig danebengreift, dann können wir wütend werden, schimpfen oder uns auf den Kopf stellen – einen Effekt hat unser Verhalten dadurch trotzdem nicht auf die Situation. Aber was machen wir mit dieser Erkenntnis nun? Aufgeben? Eine Yoga-Schule auf Bali eröffnen? Weit gefehlt!

Coveys „Circle of Influence“ gibt Antworten

Einer, der sich ausführlich mit dem Thema Einflussnahme beschäftigt hat, war Stephen Richards Covey. Er hat uns ein für unser Dilemma äußerst nützliches Konzept hinterlassen: seinen „Circle of Influence“. Stellen Sie sich drei ineinander liegende Kreise vor. Den äußersten nannte Covey „Betroffen“; also all jene Situationen, die auf uns einwirken, auf die wir aber keinen Einfluss haben: das Wetter, die Politik, usw. Der mittlere Kreis ist der „Einfluss“ und der innerste trägt den Namen „Kontrolle“. Der Unterschied zwischen Einfluss und Kontrolle ist wichtig: In unserem näheren Umfeld, zum Beispiel auf der Arbeit, können wir Situationen beeinflussen, aber wir haben nicht unbedingt die Kontrolle darüber. Wir können für jemanden sprechen, unsere Arbeit an einem Projekt erledigen oder unsere Meinung bei einer Entscheidungsfindung äußern – das alles sind Möglichkeiten, Einfluss zu nehmen, aber wir haben nicht die alleinige Kontrolle über das Ergebnis. Denn wirkliche Kontrolle haben wir ausschließlich über unsere eigenen Gedanken und unser Verhalten. Wir können entscheiden, was wir morgens anziehen, ob wir die Person vor uns im Auto anschreien oder wie wir uns unseren Mitarbeitenden gegenüber verhalten. 


 

Es ist Zeit für den nötigen Schubs in den Einflussbereich

Menschen, die nicht zwischen dem unterscheiden können, was sie betrifft, worauf sie Einfluss nehmen können und was sie tatsächlich kontrollieren können, fühlen sich in ihrem Leben oft als Opfer. Und schon klar, die Opferhaltung ist unglaublich bequem, da man leicht in ihr verharren kann und nicht tun muss. Aber leider hat diese Einstellung eine unschöne Konsequenz: Unser Einflussbereich schrumpft immer weiter, und durch das ständige Meckern und Nörgeln verlieren wir unglaublich viel Energie. Das Ergebnis? Menschen, die viel reden und nichts tun. 

Einfluss haben Sie, wenn Sie ihn sich nehmen

Kennen Sie in Ihrem Team einen solchen Menschen? Der immer anderen die Schuld zuschiebt und sich über alles beschwert, aber selbst nichts tut? Niemand ist sicher vorm Betroffensein, aber die entscheidende Frage ist, wie viel Energie wir darauf verschwenden wollen. Dazu eine kleine Reflexionsaufgabe an Sie: Nehmen Sie sich zwei Minuten Zeit, um über die folgenden Fragen nachzudenken: 

  • Wie viel Zeit fließt pro Tag in welchen der genannten Kreise?
  • Leben Sie als Führungskraft und Vorbild selbst, was Sie von anderen erwarten?
  • Wohin geht die Energie Ihrer Teammitglieder? 

Die nächste Aufgabe: Nach Ihrer Reflexion suchen Sie aktiv das Gespräch mit Ihren (betroffenen) Mitarbeitenden und unterstützen Sie darin, wieder in ihren Einflussbereich zu kommen. Beispielsweise indem Sie ihnen den Circle of Influence als Tool mit an die Hand geben. 

  • Schritt 1: Reflektieren über die täglichen Aufgaben und Herausforderungen
  • Schritt 2: Aufteilung dieser in zwei Kategorien – „Habe ich Einfluss drauf.“ vs. „Habe ich keinen Einfluss drauf.“
  • Schritt 3: Die Liste „Habe ich keinen Einfluss drauf“ schmeißen Sie dann bitte aus dem Fenster oder verbrennen sie.
  • Schritt 4: Auf das fokussieren können, was zählt.

Begleiten Sie Ihre Mitarbeitenden auf diesem Weg. Folgende Fragen können ihnen dabei helfen:

  • Welchen Einfluss habe ich auf die herausfordernde Situation?
  • Welches Verhalten könnte sich positiv auf den Prozess auswirken?
  • Was brauche ich, damit ich die Situation meistern kann?
  • Wie kann meine Führungskraft mich darin unterstützen?
  • Was müsste passieren, damit ich die Situation lösen kann?

Zeit für Taten statt Tiraden!

In einer Welt, die oft von Äußerlichkeiten und Umständen geprägt ist, können wir uns leicht in der Rolle des Opfers wiederfinden. Doch wir haben die Wahl, uns aus dieser Falle zu befreien. Die Energie, die wir verschwenden, indem wir uns über Dinge aufregen, die außerhalb unseres Einflussbereichs liegen, können wir stattdessen nutzen, um unsere eigene Welt und die unserer Mitarbeitenden zu gestalten. Wenn wir unsere Energie gezielt auf die Dinge lenken, die wir beeinflussen können, werden wir zu GestalterInnen und MacherInnen. Schluss also mit dem endlosen Meckern und Jammern. Es ist Zeit für Taten, Zeit für echte Veränderung. Einfluss haben Sie, wenn Sie ihn sich nehmen. Also los!


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