Die Wahrheit, die keiner laut sagt

Du weißt, wie sich das anfühlt: Die Zahlen sind halbwegs im Rahmen, der Auftragseingang ist okay, die Bank ruft nicht jeden Tag an. Und trotzdem sitzt du abends im Auto, starrst auf den Parkplatz vor deinem Haus und hast das Gefühl, dir rutscht gerade das Leben aus den Händen.

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Erschöpfung ist für viele Führungskräfte kein Ausrutscher mehr, sondern Alltag. Aktuelle Befragungen zeigen, dass sich deutlich über die Hälfte der Manager ausgelaugt fühlt, viele können nach Feierabend kaum noch abschalten. Horrorboschaften, Planbarkeitsdefizite, alles soll gleichzeitig schneller, billiger, digitaler werden. Und du bist der Kopf, der das irgendwie zusammenhalten soll.

Ich kenne diese Nächte. Die, in denen du auf der Bettkante sitzt und dir ernsthaft die Frage stellst, ob du das noch willst. Als mir vor vielen Jahren fast die Firma um die Ohren geflogen wäre wegen einer Fehlentscheidung, war das so ein Moment. Kein Lehrbuch bereitet dich darauf vor. Genau wie kein Lehrbuch dich auf einen Unfall zusammen mit deiner Frau, der Tot deiner Mutter oder den Scheiterhaufen einer Ehe vorbereitet. Aber solche Brüche haben mir unter andrem brutal klar gemacht, worauf es in Führung wirklich ankommt.

Aus diesen Erfahrungen sind die folgenden fünf Sätze entstanden. Sie sind kein Motivationsplakat, sondern meine persönliche Haltung, an die ich mich immer versuche zu erinnern. Vielleicht kennst du dich in dem einen oder anderen wieder.

1. Erinnere dich, wer du bist – nicht, was du gerade fühlst.

Dein Kopf schreit: „Ich bin am Ende.“ „Ich hab versagt.“ „Ich kann nicht mehr.“ Gefühle lügen nicht, aber sie erzählen nur einen Ausschnitt. Du bist mehr als dein aktueller Pegel an Frust oder Angst.

In meiner Arbeit mit Führungskräften schaue ich deshalb zuerst auf die intrinsischen Motive und die Persönlichkeit hinter der Rolle. Sein vor Schein. Warum bist du Unternehmer geworden? Wofür gehst du morgens los, wenn niemand zuguckt? Wenn du das aus den Augen verlierst, fressen dich Quartalszahlen, Krisenmeldungen und Tagesgeschäft auf.

Setz dich hin, ohne Laptop, ohne Handy. Schreib dir in einem Satz auf, wofür du stehst. Nicht als coolen Claim, sondern als brutale Ehrlichkeit mit dir selbst. Wenn der Druck steigt, liest du genau diesen Satz. Du erinnerst dich an deine Linie, statt deinen Launen hinterherzulaufen.

2. Nicht jeder Sturm verdient dein Schwert.

Viele Führungskräfte sind im Dauerkrieg. Gegen den Markt, gegen die Bürokratie, gegen die eigene Mannschaft. Du rennst von Konflikt zu Konflikt, kommentierst jedes Thema, springst auf jede Mail, jede politische Meldung. Am Ende bist du nur noch Reaktion.

Die Wahrheit ist unbequem: Ein Teil deiner Erschöpfung ist hausgemacht. Du kämpfst an zu vielen Fronten gleichzeitig. Stark bleibst du, wenn du radikal auswählst, wofür du deine Energie verwendest. Ich habe mir angewöhnt, mir bei jeder Aufregung eine Frage zu stellen: Braucht das jetzt wirklich mein Schwert – oder nur meine klare Grenze?

Still kämpfen heißt nicht, alles zu schlucken. Es heißt, bewusst zu schweigen, wo dein Ego laut werden will. Es heißt, Konflikte zu führen, wo es um Substanz geht: Werte, Strategie, Menschen. Und es heißt, Small Talk-Krisen, Shitstorms im Intranet und die hundertste Aufregungs-Mail einfach vorbeiziehen zu lassen.

3. Motivation verschwindet? Halte Disziplin.

Motivation ist Laune. Disziplin ist Entscheidung. Es gibt Tage, da tragen dich Vision, Purpose und Sinn. Und es gibt Tage, da willst du nur die Decke über den Kopf ziehen. Gerade dann entscheidet sich, ob du führst oder getrieben wirst.

Wir begleiten seit vielen Jahren Führungskräfte und Unternehmer die im operativen Dauerrauschen fast untergehen. Die, die langfristig durchhalten, haben eines gemeinsam: Sie arbeiten mit klaren Routinen. Feste Reflexionszeiten. Fokusblöcke ohne Störung. Körperliche Basics wie Schlaf, Bewegung, Essen werden nicht verhandelt.

Disziplin klingt hart, ist aber letztlich Selbstschutz. Leg dir drei nicht verhandelbare Gewohnheiten für deinen Führungsalltag fest. Zum Beispiel: jeden Morgen 15 Minuten strategisches Denken, jeden Freitag eine Stunde ehrliche Selbstreflexion, jeden Tag eine Sache delegieren, die du bisher selbst gemacht hast. Wenn Motivation dazukommt – schön. Wenn nicht, läuft das System trotzdem.

4. Wenn du Angst hast, gehe weiter! Stärke wächst.

Angst gehört dazu. Wer Verantwortung trägt und behauptet, keine Angst zu kennen, lügt oder nimmt seine Aufgabe nicht ernst. Ich hatte Angst, als mein Unternehmen fast gegen die Wand lief. Ich habe Angst meinen Freund zu verlieren auf Grund der aktuellen Diagnose.

Stark wirst du nicht, weil die Angst verschwindet. Stark wirst du, weil du dich trotz Angst bewegst. Im Buch „Führungskräfte als Hoffnungsträger“ beschreibe ich ein Kapitel lang, wie Hoffnungsträger ihren Einflussbereich fokussieren, statt sich von allem überrollen zu lassen. Ab Seite 34 geht es genau darum: den Schritt zu gehen, den du gehen kannst – statt auf den perfekten Plan zu warten, den es sowieso nie geben wird.

Frag dich ganz konkret: Welcher eine Schritt liegt heute in meiner Hand? Ein Gespräch, das du vermeidest. Eine Entscheidung, die du aufschiebst. Eine klare Ansage an die Gesellschafter. Geh ihn. Nicht weil du keine Angst hast, sondern weil du Verantwortung trägst.

5. Vertraue dem Weg, auch wenn du ihn noch nicht siehst.

Wir leben im Zeitalter der Permakrise. Die alte Idee von Resilienz – einmal durchschütteln und zurück zum Alten – funktioniert nicht mehr. Resilienz 2.0 heißt: Du springst in ein neues Spiel. Du weißt vorher nicht, wohin dich die Kombination aus Markt, Technologie, Politik und Menschen führen wird.

Vertrauen in den Weg heißt nicht, blauäugig zu werden. Es heißt, zu akzeptieren, dass du nicht alles steuern kannst, und trotzdem bewusst zu gestalten. Ich nenne das radikale Akzeptanz: annehmen, was ist, und dann konsequent handeln.

Genau hier setzt das Führungsprinzip Hope & Trust Leadership an. Es verbindet Hoffnung und Vertrauen zu einer Haltung, in der Führung vor allem Beziehungssystem ist und kein Machtinstrument. Wer Hoffnung erzählt und Vertrauen lebt, schafft Orientierung und Handlungsfähigkeit, auch wenn der Nebel dicht ist. 

In „Führungskräfte als Hoffnungsträger“ ziehe ich daraus eine klare Konsequenz: Du bist als Führungskraft Perspektivenmacher, nicht Krisenkommentator. Deine Leute spüren genau, ob du selbst innerlich aufgegeben hast oder ob du bereit bist, dich weiterzuentwickeln, auch wenn du keine Garantien bekommst.

Am Ende läuft alles auf eine Entscheidung hinaus. 

Du kannst die Rolle als Opfer der Umstände spielen. Oder du nimmst die Zumutung an, in dieser Zeit Führung zu übernehmen. Dann brauchst du keine perfekten Antworten. Du brauchst Klarheit über dich, den Mut für den nächsten Schritt und … das Führungsprinzip Hope & Trust Leadership als inneren Rahmen, an dem du dich festhalten kannst.

Ben Schulz
Autor: Ben Schulz

Ben Schulz ist Unternehmer, Autor, Redner und Consultant für Geschäftsführer und Führungsteams in kleinen und mittelständischen Unternehmen. Der Vorstand des Unternehmensberatung Ben Schulz & Partner AG legt den Schwerpunkt seiner Tätigkeit, gemeinsam mit seinem Team, auf die Schwerpunkte Unternehmensleitbildentwicklung, Kulturwandel, Führungskräfteentwicklung und strategischen Unternehmersparrings, bei denen es um die Steigerung von Perfomance geht.

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