Beim Homeoffice ist oft die Rede davon, dass man die Mitarbeitenden nicht kontrollieren könne und es schwer ist, sie über die Distanz hinweg zu führen. Und ja, für eine Führungskraft ist das Homeoffice deutlich anspruchsvoller. Dinge wie Zugehörigkeit, Verbundenheit, Wertschätzung und Co. sind nicht leicht remote umzusetzen. Es braucht neue Skills, über die wir noch nicht verfügen. Corona hat uns schlicht ins kalte Wasser geworfen und jetzt müssen wir damit umgehen. In einigen Branche wie beispielsweise der IT oder Programmierung gehört das Arbeitsmodell Homeoffice schon seit langem dazu, doch ein Großteil der Unternehmen hat dahingehend keine oder kaum Erfahrung. Und das ist erstmal ein großes Problem.
Haben die Homeoffice-Kritiker recht?
Im Zuge meiner Recherchen bin ich auf eine interessante Studie gestoßen, die im Juni von der Universität St. Gallen im Auftrag des Zentrums für Arbeitgeberattraktivität GmbH durchgeführt wurde. Insgesamt wurden 13.400 Führungskräfte und Mitarbeitende zum Thema Homeoffice befragt, mit den Schwerpunkten auf Gesundheit und Leistung. Dabei kamen einige spannende Indikatoren heraus. Zum Beispiel ergab die Studie, dass 41% der befragten Mitarbeitenden sich in einer ungesunden oder gar gesundheitsbedrohlichen Balance befinden. Gleichzeitig erbringen 62 % der Mitarbeitenden eine merklich verringerte Leistung. Das muss man sich mal auf der Zunge zergehen lassen. Die Homeoffice-Kritiker fühlen sich durch solche Ergebnisse bestärkt und führen sie als Argumente an, warum Homeoffice per se keine gute Idee ist. Doch gibt es wirklich nur diese eine Seite der Medaille?
Neue Skills sind unbequem
Wir sind aktuell in einer Zeit, die mit großen Veränderungen einhergeht, mit denen wir umgehen müssen. Und wir alle wissen, dass der Mensch kein Freund von Veränderungen ist und diese grundsätzlich erstmal blöd findet. Beim Thema Homeoffice heißt das, dass uns Führungskräften bestimmte Skills fehlen, um in diesem neuen Setting unsere Mitarbeitenden vernünftig zur führen. Wir müssen uns mit Dingen auseinandersetzen, die es vorher in dieser speziellen Form noch nicht gab. Wir brauchen neue Kompetenzen und Skills – das ist in erster Linie umständlich und unbequem, denn wir können auf keine Erfahrungswerte zurückgreifen. Es gibt zwar die Möglichkeit, sich an anderen Branchen zu orientieren, die das Homeoffice bereits seit langem fest implementiert haben, aber dennoch brauchen wir selbst auch die nötigen Kompetenzen dafür. Ich persönlich kann die Zahlen der Studie in meinem Unternehmen nicht bestätigen. Ich habe nicht das Gefühl, dass die Performance leidet, es mehr Krankheitsfälle gibt oder die Leute eine höhere Stressbelastung haben.
Von A nach B – aber wie?
Doch brechen wir die vielen Diskussionen zum Homeoffice einmal herunter, dann geht es gar nicht darum, ob es gut oder schlecht ist, sondern im Endeffekt ist die Frage, welches Fortbewegungsmittel Sinn macht. Die einen fahren mit dem Motorrad zur Arbeit, die nächsten mit dem Auto, ein dritter kommt mit dem Fahrrad und der vierte mit den Öffentlichen. Welcher von ihnen hat es jetzt richtig gemacht? Wir diskutieren die ganze Zeit darüber, ob nun der Autofahrer oder Motorradfahrer recht hat. Ob Homeoffice gut oder schlecht ist. Der eine ist nun mal leidenschaftlicher Motorradfahrer, während der andere lieber selbst in die Pedale tritt. Jeder Mensch ist anders und hat somit auch eine andere Einstellung zum Homeoffice. Daher mein Appell an alle Führungsleute und InhaberInnen: Setzen Sie sich mit Ihren Mitarbeitenden auseinander, damit Sie wissen, welche Menschen Sie vor sich haben.
Eine Frage der Persönlichkeit
Es gibt Menschen, die performen im Homeoffice und andere, die eher darunter leiden. Warum ist das so? Wir alle sind unterschiedliche Persönlichkeiten und haben eine unterschiedliche Ausprägung unserer intrinsischen Motive. Mit dem Reiss Motivation Profile® lassen sich diese sichtbar machen. Hat ein Mensch das Motiv Unabhängigkeit stark ausgeprägt und liebt Autonomie, wird er wahrscheinlich super im Homeoffice zurechtkommen. Wo hingegen ein anderer, der ein hohes Zugehörigkeitsgefühl hat und ein Team um sich herum braucht, auf Dauer im Homeoffice frustriert sein wird. Das Homeoffice beginnt also schon mit der Frage nach der Persönlichkeit und Identität. Darüber sollten wir uns unterhalten und nicht darüber, ob diese Menschen nun Motorrad, Auto oder Bahn fahren. Eine Verallgemeinerung, ob Homeoffice gut oder schlecht ist, ist meiner Ansicht nach total sinnlos. Ich selbst habe Mitarbeitende, die das Homeoffice lieben und dort besser performen als im Office und solche, denen es nicht guttut, allein zuhause zu sein. Wiederrum andere sind sehr flexibel und können sowohl gut im Büro als auch zuhause arbeiten.
Der Mensch muss in den Fokus
Stellen Sie als Führungskraft bei einigen Mitarbeitenden fest, dass die Performance im Homeoffice abnimmt und sie sich öfter krankmelden, sollten Sie das Homeoffice nicht gleich verteufeln. Schauen Sie sich andere Mitarbeitende an, die glücklich damit sind und ihre Leistung sogar steigern konnten. Wollen Sie diese wieder zurückbeordern? Wir müssen bei der ganzen Diskussion, den Menschen wieder in den Fokus bringen. Es geht nicht um gut oder schlecht, sondern darum, was artgerecht ist. Mit den ganzen Diskussionen wie wir jetzt zum gewünschten Ziel kommen, wird ein falscher Ansatz verfolgt. Homeoffice kann auf der einen Seite wunderbar funktionieren und auf der anderen kontraproduktiv sein. Unser Job als InhaberInnen, UnternehmerInnen und Führungskräfte ist es, unsere Mitarbeitenden zu kennen, zu wissen, wen wir vor uns haben und dann zu entscheiden, ob das Homeoffice sinnvoll ist oder nicht.