Lohnt es sich, heute noch zu gründen?

Die Frage, ob es sich in den heutigen Zeiten noch lohnt, ein Unternehmen zu gründen, beschäftigt viele, die unter anderen Voraussetzungen sicherlich den Schritt in die Selbständigkeit gewagt hätten. Wir sehen uns einer nie gesehenen Anzahl an Herausforderungen und Bedrohungen gegenüber. Viele haben mit den Nachwehen oder aktuell noch mit der Pandemie zu kämpfen. Der Fachkräftemangel bringt Unternehmen an den Rand ihrer Handlungsfähigkeit. Durch den Krieg haben sich die Abhängigkeiten auf dem Wirtschaftsmarkt verändert. Lieferketten sind unzuverlässig. Von den hohen Strom- und Energiepreisen ganz zu schweigen, die man sich erst mal leisten muss. Die Zahl der Gründungen nimmt massiv ab. Laut Statista hat sich seit 2004 die Gründungsquote mehr als halbiert. Dabei sind gerade die Start-ups die Innovationstreiber Nummer 1, die den digitalen Wandel voranbringen könnten. Und genau diesen Schub brauchen wir in diesen schwierigen Zeiten. Wenn da nicht die ganzen Stolperfallen wären.

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Stellen Sie sich vor, Sie haben eine wirklich gute Idee, die ein echtes Bedürfnis auf dem Markt befriedigen kann, deren Dienstleistung für die KundInnen einen wirklichen Mehrwert bietet, in der auch eine wirtschaftliche Perspektive steckt. Sie überwinden Ihre German Angst, möchten den Kokon der Sicherheit verlassen und in See – vielmehr in den Markt – stechen. Und dann kommt die gute deutsche Bürokratie.
 

Warum einfach, wenn es auch kompliziert gehen kann?

Da gibt es beispielsweise das deutsche Insolvenzrecht. Scheitert ein Gründer, trägt er das Brandmal ein Leben lang. Aufstehen, Kleiderausschütteln und weitermachen ist nicht. Im Ausland weht da ein anderer Wind. In den USA zum Beispiel gehört das Scheitern zum Unternehmertum dazu. Länder wie Israel hatten in den letzten Jahrzehnten doppelt so viele Gründungen wie wir und die sind sicherlich auch nicht alle zu Goldeseln geworden. Es wird aber entspannter damit umgegangen. 
 

Auch das Thema der Beteiligung ist ein wunderbarer Stolperstein. Veraltete GmbH-Gesetze verhindern jegliche Flexibilität an Mitarbeitendenbeteiligung oder anderen Beteiligungsmodellen. Leider ist hier die Politik keine große Hilfe. Wer im Deutschen Bundestag hat wirklich Ahnung von Unternehmensgründungen? Und dennoch diskutieren sie darüber und machen die Gesetze oder eben nicht. 

Und zu guter Letzt steht das Verhandeln mit der Bank an, die alles andere als freudig darüber ist, einem Gründer ein Geschäftskonto geschweige denn einen Kredit zu geben. Gemäß dem Sprichwort „Ohne Moos nix los …“ benötigen Gründungen ein gewisses Maß an Eigenkapital. 

Wir denken viel zu sehr in Null oder Eins. 100 % angestellt oder 100 % selbständig. Wie wäre es, wenn aus dem „entweder oder“ ein „sowohl als auch“ würde? 

Beispiel: Ein Unternehmen hat mehrere Bereiche, in denen es tätig ist. Warum nicht für einen Bereich, in dem ein besonders hoher Fachkräftemangel herrscht, eine Tochtergesellschaft ins Leben rufen, in diese eine innovative Gründerin hineinnehmen und ihr Infrastruktur, Finanzierung und Erfahrung zur Verfügung stellen? Es entstünde eine klassische Win-Win-Situation. Das Unternehmen muss sich nicht verbiegen, um alles selbst zu machen und die Gründerin erhält den richtigen Rahmen für ihren Bereich. 

Aber sind das die Hauptgründe, weswegen unsere Gründungen so massiv in den Keller gegangen sind? 

Der Anteil der Gründer an der Erwerbsbevölkerung (Gründerquote) ist laut Statista in Deutschland von 2004 bis 202 von 2,59 % auf 1,19 % gefallen. Diese rasante Talfahrt hat sicher mehrere Gründe: Wir erinnern uns alle noch an den Finanzmarktzusammenbruch, der manchen noch immer in den Knochen steckt. Auch die geringere Arbeitslosenzahl und der Fachkräftemangel haben zu einer Abnahme an Gründungen geführt. Da wären wir wieder bei der German Angst. Warum sollte eine qualifizierte Fachkraft den sicheren Hafen einer Anstellung verlassen, um sich selbständig zu machen? 

Wir lernen in jungen Jahren immer noch zu wenig für das echte Leben!

Ich habe eine Patchworkfamilie mit sechs Kindern – da ist von 15 bis 25 Jahren alles vertreten. Betrachte ich, was diese in der Schule lernen, muss ich sagen, dass mich die Lerninhalte in weiten Teilen an das erinnert, was ich damals vorgesetzt bekommen habe. Schlimmer noch: machte jemand Ende der 1950er-/Anfang der 60er-Jahre sein Abitur, waren die Anforderungen an Wissen und Bildung deutlich höher als heute. Aber eines haben alle SchulabgängerInnen – ob alt oder jung – gemeinsam: auf das, was nach der Schule auf sie zukommt, sind sie nicht vorbereitet. 

Wieso gibt es während der Schulzeit keinerlei Angebote, um zu lernen oder zu fühlen, was es bedeutet, eine Firma zu gründen? Tiktok, InfluencerInnen und Co. sei Dank, dass Jugendliche zumindest mal die Begriffe „Gründung“, „Businessplan“, „Skalieren“ etc. gehört haben. Aber befeuert das allein das zukünftige Gründerdenken in Deutschland?

 

Gründen ist eine Frage von Mut!

Margarete Steiff, geboren 1847, durch Kinderlähmung an den Rollstuhl gefesselt, wurde gegen den Willen ihres strengen Vaters Schneiderin. 1877 eröffnete sie ihr Geschäft, 1892 erschien der erste illustrierte Steiff-Katalog, 1901 begann der Export in die USA, 1907 beschäftigte das Unternehmen 400 Mitarbeitende und 1800 Heimarbeitende. ABER: Als Frau wurde Margarete Steiff nicht einmal zu einem Gespräch mit der Bank zugelassen – ganz zu schweigen von all den anderen Steinen, die auch damals schon einer Unternehmensgründung in den Weg gelegt wurden. Und dennoch schaffte sie es, dieses Imperium aufzubauen. 

Unternehmertum bedeutet Hürden überwinden. Unternehmertum erfordert Selbstdisziplin, Leidensfähigkeit, Ausdauer. UnternehmerInnen sind LangstreckensportlerInnen, keine SprinterInnen. UnternehmerInnen brauchen Mut!

Die Frage, ob es sich in der heutigen Zeit lohnt, zu gründen, kann mit einem Ja beantwortet werden. Es ist immer die richtige Zeit, mit einer guten Idee an den Markt zu gehen und Mut zu beweisen. 
 

Sie möchten sich zu dem Thema mit mir austauschen? Schreiben Sie mich an und lassen Sie uns ins Gespräch kommen. 




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