Damals reagierte ich oft schnell, manchmal hart. Heute nehme ich mir bewusst Zeit, bevor ich handle. Ich will verstehen, reflektieren und Entscheidungen aus einem gesunden Selbst heraus treffen. Ohne meine Werte zu verraten. Das ist ein Kapitel für sich – und ein Kernpunkt dessen, was ich in meinem Buch Führungskräfte als Hoffnungsträger meine, wenn ich von innerer Klarheit als Führungsinstrument spreche (vgl. Kap. „Bens Umsetzungs-Tipps: Worauf Vertrauen basiert“).
Da sind diese Momente, da hat man mit Menschen zu tun, denen ich über lange Zeit vertraut hatte. Wir haben Erfolge gefeiert, Niederlagen weggesteckt, uns gegenseitig den Rücken freigehalten. Und dann – ohne Vorwarnung – Gespräche hinter meinem Rücken, taktische Manöver, plötzliche Vorwürfe. Der Schlag saß. Schock. Enttäuschung. Ärger. Und dieser bittere Gedanke: Schon wieder. Schon wieder investiert, vertraut – und so wird’s gedankt.
Die Muster hinter dem Vertrauensbruch
Mit etwas Abstand erkenne ich immer wieder die gleichen Dynamiken:
- Ego-Orientierung – wenn der eigene Vorteil lockt, zählt das Wir nur noch am Rand.
- Druckvermeidung – unter Stress weichen viele der offenen Konfrontation aus.
- Machtverlustangst – wer befürchtet, Einfluss zu verlieren, greift zu verdeckten Strategien.
- Mangelnde Selbstreflexion – zu wenige fragen sich, welche Wirkung ihr Handeln auf andere hat.
Diese Muster sind nicht immer sofort sichtbar – vor allem, wenn man wie ich partnerschaftliche Zusammenarbeit und Offenheit als Normalzustand annimmt.
Selbstzweifel und innere Konflikte
Natürlich kommt irgendwann die Frage: Hätte ich es früher merken müssen?
Vielleicht habe ich Anzeichen ignoriert. Vielleicht war mein Fehler, von meinen eigenen Maßstäben auszugehen. Vielleicht habe ich zu viel investiert, mich zu sehr identifiziert.
Und dann dieser innere Konflikt: Härter werden und misstrauen – oder den eigenen Werten treu bleiben? Wer einmal im Kapitel „Hoffnungsvoll führen, wie geht das?“ nachliest, weiß: Hoffnungsträger handeln nicht aus Verbitterung. Aber das heißt nicht, alles zu schlucken.
Grenzen sind nicht verhandelbar
Loyalität ist für mich keine Verhandlungsmasse. Wer sie bricht, ist raus aus meinem direkten Umfeld. Punkt.
Das ist keine Kurzschlussreaktion, sondern eine Entscheidung aus einem klaren Wertefundament. Und genau das ist für jede Führungskraft entscheidend: Werte nicht nur zu predigen, sondern sie im Alltag konsequent zu leben – gerade dann, wenn es unbequem wird.
Lektionen für Führungskräfte
Aus diesen Erfahrungen ziehe ich klare Schlüsse:
- Du siehst Menschen nur vor den Kopf, nicht in ihr Inneres.
- Erwarte nicht, dass andere deine Werte teilen – auch nicht, wenn sie es sagen.
- Setze Grenzen, früh und deutlich.
- Behalte den Glauben an das Gute, aber mach deine Zufriedenheit nicht abhängig vom Verhalten anderer.
- Sei dir bewusst: Unter Druck entscheiden viele für sich – nicht für das Wir.
Das gesunde Selbst in Führung lassen
Was mich davor bewahrt, zu verbittern? Ich halte inne. Ich lasse mein gesundes Selbst führen – so wie ich es im Abschnitt „Hoffnungsträger fokussieren sich auf ihren Einflussbereich“ beschreibe.
Ich frage mich: Bin ich im Einklang mit meinen Werten – oder steuert mich gerade Ärger? Ich handle erst, wenn meine innere Balance zurück ist. Dann kann ich Grenzen ziehen, ohne zynisch zu werden.
Führung in der Permakrise heißt: den Blick heben, auch wenn der Boden unter den Füßen wackelt. Hoffnungsträger sein, gerade wenn es schwerfällt. Loyalität leben, auch wenn andere sie brechen.
Schlussgedanke
Loyalität ist ein Wert, kein Vertragsdetail. Ja, sie macht verletzlich. Aber ohne sie führen zu wollen, wäre für mich wie Segeln ohne Kompass. Führung braucht Mut. Vor allem den Mut, integer zu bleiben, wenn andere es nicht sind.