Aktuell bin ich mal wieder in den Bergen. Dieser Ort ist mir mehr als vertraut – ich habe in meinem Leben alle wichtigen Entscheidungen dort oben getroffen. Es ist ein seltsamer Trost, zu wissen: Je höher ich steige, desto klarer wird mein Blick. Schritt für Schritt lasse ich das Tal hinter mir – das tägliche Geschäft, das ständige Reagieren, das Lösen von Problemen, die ich gar nicht haben will. Oben am Gipfel angekommen, eröffnet sich ein Panorama, das nicht nur die Landschaft, sondern auch meine Gedanken in die Weite entlässt. Manchmal braucht es Geduld – der Nebel lichtet sich nicht sofort. Aber dann, irgendwann, ist er da: der Moment der Klarheit. Und mit ihm: der Blick auf das, was wirklich zählt.
Vermeidung kostet Energie – und Zukunft
In meiner Arbeit mit Führungskräften begegnet mir ein Muster immer wieder: Die Ziele, die gesetzt werden, sind oft geprägt von Angst. „Wir müssen verhindern, dass…“, „Bloß nicht noch einmal…“, „Das darf auf keinen Fall wieder passieren…“ – das sind Vermeidungsziele. Sie haben einen klaren Fokus: Sie wollen Schmerz, Verlust, Kritik oder Misserfolg umgehen.
Und genau hier liegt das Problem: Vermeidungsziele sind defensiv. Sie rauben Energie, weil sie aus einer Haltung der Angst entstehen. Sie verhindern keine Fehler – sie verhindern Bewegung. Sie ziehen uns zurück, statt uns voranzubringen. Sie führen dazu, dass Teams stagnieren, Entscheidungen vertagt werden und Chancen ungenutzt bleiben.
Erreichungsziele schaffen Sog
Anders Erreichungsziele. Sie sind positiv formuliert, lösungsorientiert und zukunftsgerichtet. Sie beantworten die Frage: Was will ich konkret erreichen – und wofür? Statt sich auf das zu konzentrieren, was vermieden werden soll, richten sie den Fokus auf das, was entstehen darf. Sie erzeugen Motivation, weil sie ein Bild zeichnen, für das es sich lohnt, loszugehen. Sie definieren einen attraktiven Zustand – und laden dazu ein, ihn zu verwirklichen.
Ein Beispiel: „Wir wollen verhindern, dass weitere Mitarbeitende kündigen“ klingt defensiv und hilflos. Aber: „Wir schaffen eine Unternehmenskultur, in der unsere Mitarbeitenden gerne bleiben und wachsen können“ – das ist ein Ziel mit Sogkraft. Ein Ziel, das zur Gestaltung einlädt.
Vom Tal zum Gipfel: Perspektivwechsel durch Ziele
In den Bergen zeigt sich mir dieser Unterschied jedes Mal aufs Neue. Wenn ich dort stehe, die Wolken unter mir, der Blick klar – dann denke ich nicht darüber nach, welchen Absturz ich vermeiden muss. Ich frage mich: Wohin will ich als Nächstes? Welcher Weg liegt vor mir? Welche Richtung fühlt sich richtig an?
Diese Klarheit entsteht nicht durch Angst, sondern durch Perspektive. Und genau diese brauchen wir in der Führung – besonders jetzt, in Zeiten von Umbruch, Unsicherheit und Multikrisen. Hoffnung entsteht nicht im Rückzug, sondern im mutigen Schritt nach vorn.
Führung beginnt mit der eigenen Haltung
Führungskräfte, die Vermeidungsziele setzen, handeln aus dem Modus der Reaktion. Sie agieren aus einem Betroffenen-Bereich heraus – wie Stephen Covey es nennt – und verlieren dadurch Einfluss. Wer aber Erreichungsziele formuliert, der tritt in seinen Einfluss-Bereich ein. Er fragt: Was kann ich tun? Wo will ich hin? Und was ist mein Beitrag?
Die Zukunft wird nicht gestaltet durch jene, die versuchen, das Schlimmste zu verhindern. Sie wird gestaltet von denjenigen, die sich trauen, das Beste zu ermöglichen.
Werden Sie Perspektivenmacher
Wenn Sie Führungskraft sind, dann wissen Sie: Es gibt keinen perfekten Moment für große Schritte. Die Sicht ist oft neblig. Die Unsicherheiten sind real. Und dennoch: Machen Sie sich auf den Weg. Definieren Sie Ziele, die Sie erreichen wollen. Geben Sie sich und Ihrem Team einen klaren Nordstern – etwas, worauf es sich lohnt hinzuarbeiten.
Und wenn Sie unsicher sind, wohin der Weg führen soll – dann suchen Sie sich Ihren persönlichen Gipfel. Ihren Ort der Klarheit. Denn dort, oben, jenseits des Nebels, wartet sie auf Sie: die Vision Ihrer nächsten Etappe.
Ben Schulz ist Sparringspartner für Geschäftsführer und Führungsteams in klein- und mittelständischen Unternehmen, wenn es um deren Strategie und Transformationsprozessen geht. Der Vorstand des Beratungshauses Ben Schulz & Partner AG legt den Schwerpunkt seiner Tätigkeit, gemeinsam mit seinem Team, auf die Schwerpunkte Unternehmensleitbildentwicklung, Kulturwandel, Führungskräfteentwicklung und strategischen Unternehmersparrings, bei denen es um die Steigerung von Perfomance geht.