Die Wahrheit ist unbequem: Teamentwicklungsworkshops werden häufig eingesetzt, um Führungsdefizite zu vertuschen. Wenn die Kommunikation im Team hakt, wenn die Motivation der Mitarbeitenden im Keller ist oder wenn Konflikte eskalieren, wird reflexartig ein externes Event geplant. Doch das eigentliche Problem liegt selten im Team selbst. Es liegt fast immer an der Führung.
Der Elefant im Raum: Fehlende Führungskompetenz
Machen wir uns nichts vor: Ein Team spiegelt immer die Qualität seiner Führung wider. Wenn Vertrauen fehlt, wenn Rollen unklar sind, wenn Deadlines nicht eingehalten werden oder die Fluktuation steigt, dann ist das kein “Teamproblem”. Es ist ein Führungsproblem. Wer also glaubt, dass ein extern moderierter Workshop ein dysfunktionales Team wieder auf Spur bringt, ohne die Führungsarbeit zu hinterfragen, macht sich etwas vor.
Warum sind Führungskräfte oft so schnell dabei, Verantwortung abzugeben? Vielleicht, weil es einfacher ist, ein paar tausend Euro für einen Workshop auszugeben, als den eigenen Führungsstil zu reflektieren. Denn das wäre unangenehm. Es würde erfordern, sich selbst zu hinterfragen: Habe ich klare Ziele gesetzt? Kommuniziere ich regelmäßig und transparent? Habe ich mein Team konsequent entwickelt? Oder habe ich mich in operativen Kleinigkeiten verloren und mein Team allein gelassen?
Die gefährliche Illusion von Harmonie
Ein weiteres Problem von Teamentwicklungsworkshops ist die oft unrealistische Erwartung, dass sie alle Konflikte lösen und Harmonie schaffen. Doch Konflikte sind nicht per se schlecht. Sie sind oft ein Zeichen dafür, dass etwas im System nicht funktioniert – und das beginnt in der Regel bei der Führung. Ein Workshop kann kurzfristig die Wogen glätten, doch ohne eine langfristige Veränderung im Führungsverhalten verpuffen die Effekte schnell. Noch schlimmer: Die Illusion, man habe das Problem “gelöst”, kann dazu führen, dass man weiter am eigentlichen Kern vorbeiarbeitet.
Die harte Wahrheit: Führung ist nicht delegierbar
Führung ist kein Workshop, kein Excel-Reporting und auch keine Aufgabe, die man an HR oder externe Berater delegieren kann. Führung ist eine Haltung, die tagtäglich gelebt werden muss. Sie erfordert Präsenz, Klarheit und Mut – vor allem den Mut, sich auch den eigenen Schwächen zu stellen. Wer glaubt, dass man durch ein einziges Event eine nachhaltig leistungsfähige Teamkultur schafft, hat Führung nicht verstanden.
Das bedeutet nicht, dass Teamentwicklungsworkshops per se schlecht sind. Sie können wertvolle Impulse liefern – wenn sie in eine langfristige Führungsstrategie eingebettet sind. Doch ein Workshop ohne Konsequenzen ist wie ein Arztbesuch ohne Therapieplan: nett, aber wirkungslos.
Der Blick in den Spiegel
Als Führungskraft sollten Sie sich folgende Fragen stellen:
- Habe ich eine klare Vision, die mein Team inspiriert und antreibt?
- Kommuniziere ich diese Vision regelmäßig und verständlich?
- Biete ich meinem Team genug Orientierung, damit es weiß, worauf es ankommt?
- Bin ich selbst ein Vorbild für die Werte und die Haltung, die ich von meinem Team erwarte?
Wenn Sie auf eine dieser Fragen keine überzeugende Antwort haben, dann sparen Sie sich den Workshop und investieren Sie in Ihre eigene Weiterentwicklung als Führungskraft. Denn nur wenn Sie die Verantwortung für die Teamdynamik übernehmen, können Sie wirklich etwas verändern. Alles andere ist Kosmetik.
Provokant? Ja. Notwendig? Absolut. Führung beginnt bei Ihnen.