„Wer Visionen hat, sollte zum Arzt gehen.“ Dieser Satz wird Helmut Schmidt zugeschrieben und dieser stritt es nie ab. Aber dachte er tatsächlich so salopp? Nein, denn Helmut Schmidt war ein großer Visionär – aber kein Träumer. Ideen bzw. Visionen mussten für ihn greifbar sein und wurden wertlos, wenn sie nicht umgesetzt wurden.
Visionen sind die Basis für viele große Dinge
Heimat ade
Ganze Völker machten sich zu den unterschiedlichsten Epochen mit Sack und Pack auf den Weg, um anderswo eine bessere und sichere Zukunft zu haben. Sie schipperten über den großen Teich, weil sie als Xter Geborener keine Zukunft in Europa hatten. Sie flohen vor den Hunnen. Oder der Lebensraum wurde für die wachsende Bevölkerung zu klein und man machte sich auf die Suche nach mehr Land – Immer die Vision wie einen Stern vor Augen.
Ab ins All
Kennen Sie Konstantin Eduardowitsch Ziolkowski? Angeregt durch die Bücher von Jules Verne setzte er Unmögliches um, galt aber zu seiner Zeit als großer Spinner. 1903 veröffentlichte er in einer wissenschaftlichen Zeitschrift seine Abhandlung „Erforschung des Weltraums mittels Reaktionsapparaten". Darin formulierte er erstmals die Raketengrundgleichung für einen Flug ins All. Wenig später galt er als Visionär.
Die Welt in Zahlen
Oder wussten Sie, dass wir Gottfried Wilhelm Leibniz keine Kekse, sonders das Binärsystem und damit die Basis der gesamten digitalen Welt verdanken? Seine Vision: Alles in der Welt kann mit Zahlen berechnet und erklärt werden, wenn man nur die dahinterstehenden mathematischen Prinzipien entschlüsselt. Durch die Erfindung des binären Zahlensystems schuf er die mathematischen Voraussetzungen für den Computer. Ach ja, gelebt hat er von 1646 bis 1716 …
Mobil ohne Tier (oder verganes Fahren)
Und noch einer: Carl Benz. Der Sohn einer Dienstmagd und eines Lokomotivführers hatte die große Vision eines pferdelosen Wagens, den „Selbstfahrer“ für die Straße. Viele Steine wurden ihm in den Weg gelegt, aber er ließ sich nicht von seiner Vision abbringen und realisierte sie mit vielen einzelnen genialen Erfindungen: dem Zweitakt-Motor, dem leichten Viertakter, der Achsschenkellenkung, dem Differential, dem Vergaser, dem Wasserkühler oder der Gangschaltung. Am 29. Januar 1886 meldete er seinen Motorwagen zum Patent an.
Tatsächlich könnte ich noch viele weitere Beispiele nennen, in denen Visionen umgesetzt und im Nachhinein aus den „Spinnern“ große Persönlichkeiten und Vorbilder wurden. Frei nach dem Motto: „Alle sagten: Das geht nicht. Dann kam einer, der wusste das nicht und hat’s einfach gemacht.“
Was können Führungskräfte und Unternehmer aus diesen Beipielen für sich lernen?
Komplexität beißt nicht
Eine Vision zu haben, ist das eine. Diese umzusetzen, eine ganz andere Sache. Plötzlich türmt sich der Berg an Projekten, Arbeitsgruppen, Brainstormingterminen und Rechnungen auf und da kann einem schon mal die Puste aus- und die Lust vergehen. Übrigens einer der wichtigsten Punkte dafür, dass Visionen oft im Keim ersticken.
Aber Komplexität beißt nicht und sobald ein Knoten nach dem anderen geplatzt ist, lichtet sich das Chaos und die Sonne fängt an zu scheinen. Die Fähigkeit, komplexe Lösungen zu entwickeln und konsequent umzusetzen, sollte in unseren sich ständig ändernden Zeiten eine Kernkompetenz von UnternehmerInnen sein.
Entscheidungen tun auch nicht weh
„Tolle Idee, aber ach neeee, ich weiß nicht, muss ich mal drüber schlafen …“ Ach ja, ein ganzes Jahr? Warum tun sich Unternehmer heutzutage so schwer, Entscheidungen zu fällen? Dieses Aussitzen und Abwarten lähmt jeglichen Fortschritt. Worauf warten sie denn? Dass es doch jemand anderes macht und man sich als Kopie dran hängen kann?
Fehlt es an Mut? Oder liegt es daran, dass die Vision nicht die eigene ist? Oder gar keine richtige Vision ist, für die man brennt? Haben Unternehmer eigentlich überhaupt noch Visionen oder ist das Arbeiten am operativen Geschäft nicht viel bequemer? Das Tagesgeschäft läuft ja mehr oder weniger gut, warum also nach Vorne denken?
Entscheidungen zu fällen und zu ihnen zu stehen, muss zum unternehmerischen Handeln gehören. Ja, da geht mal was in die Hose, aber nur daraus kann man für die Zukunft lernen. Ich bezweifle, dass Carl Benz gleich beim ersten Anlauf den Motor zum Laufen brachte, aber er entschied sich dafür, er brannte dafür, seine Vision Realität werden zu lassen.
Ben Schulz ist Sparringspartner für Geschäftsführer und Führungsteams in klein- und mittelständischen Unternehmen, wenn es um deren Strategie und Transformationsprozessen geht. Der Vorstand des Beratungshauses Ben Schulz & Partner AG legt den Schwerpunkt seiner Tätigkeit, gemeinsam mit seinem Team, auf die Schwerpunkte Unternehmensleitbildentwicklung, Kulturwandel, Führungskräfteentwicklung und strategischen Unternehmersparrings, bei denen es um die Steigerung von Perfomance geht.