Die Schattenseite einer negativen Fehlerkultur
In vielen Unternehmen wird eine negative Fehlerkultur gepflegt. Die Konsequenzen sind bekannt: Mitarbeitende, die Fehler machen, schämen sich oft, diese zuzugeben. Fehler gelten als peinlich, als Schwäche. Niemand möchte für Missgeschicke bekannt sein oder gar als gescheitert gelten. Das Ergebnis? Fehler werden vertuscht, oder die Schuld wird auf andere geschoben. Kommen Fehler dennoch ans Licht, ziehen Vorgesetzte die Aufgaben häufig wieder an sich, um sicherzustellen, dass alles „richtig“ erledigt wird. So wird eine Atmosphäre der Angst und des Misstrauens geschaffen, in der Innovation und Fortschritt oft auf der Strecke bleiben.
Führungskräfte agieren defensiv, vermeiden Entscheidungen oder sichern sich selbst ab, anstatt mutig zu handeln und Neues zu wagen. Sie schützen ihre Position und Karriere, während das Unternehmen dringend Innovationen und frische Ideen benötigt. Es ist Zeit, unsere Fehlerkultur in eine Lernkultur zu transformieren.
Unsere Angst vor Fehlern wird früh genährt
Die Wurzeln unseres fehlervermeidenden Denkens liegen tief: Schon in der Grundschule beginnt der deutsche Leistungsdruck. Kinder, die in der vierten Klasse nicht die geforderten Leistungen erbringen, erhalten keine Empfehlung fürs Gymnasium. Das System sieht Fehler nicht vor, und dieser Druck setzt sich im Berufsleben fort. Lebensläufe sollen lückenlos sein, und ein Abiturschnitt von über 1,9 kann bereits ein Ausschlusskriterium sein. Dabei zeigen Studien, dass solche Kennzahlen keineswegs ein Garant für gute Arbeitskräfte sind. Trotzdem dominiert der Erfolg unser Denken, und die Angst vor dem Scheitern ist allgegenwärtig.
Deutschland im internationalen Vergleich
Im internationalen Vergleich zeigt sich, dass der deutschsprachige Raum bei der Fehlertoleranz weit hinterherhinkt. Der Global Entrepreneurship Monitor hat in den letzten 20 Jahren die Gründungsaktivitäten in verschiedenen Ländern untersucht. Während Deutschland eine Gründungsquote von 4,97 % aufweist, liegen Länder wie Österreich und die Niederlande bei rund 10 %. Obwohl die Chancen für Unternehmensgründungen in Deutschland eigentlich hoch sind, werden sie nicht genutzt. Warum? Weil die Angst vor dem Versagen uns lähmt.
In den USA sieht das ganz anders aus. Dort trauen sich Menschen mehr, Risiken einzugehen und aus Fehlern zu lernen. Ein Beispiel ist das Intrapreneur-Konzept des Ehepaars Gifford und Elizabeth Pinchot. Dieses Konzept unterstützt Mitarbeitende, die das Unternehmen verlassen und selbstständig werden wollen, indem es ihnen alles bietet, das sie auch als Selbstständige hätten – finanzielle Mittel, Entscheidungsgewalt und ihre Ideen zur Verwirklichung. Gleichzeitig bleibt dem Unternehmen ihr Knowhow und Mindset enthalten. Falls die Idee scheitert, können die Mitarbeitenden auf ihre alte Stelle zurückkehren. Unternehmen, die solche Konzepte nutzen, akzeptieren Fehler und gehen bewusst Risiken ein – ein Schlüssel für langfristigen Erfolg.