Erschöpfung ist die neue Normalität
Die aktuelle Umfrage von Auctority und Civey (2024/2025) ist ein Weckruf: 62 % der befragten Führungskräfte fühlen sich erschöpft. Besonders betroffen sind Frauen (65 %) sowie die Altersgruppe der 30- bis 39-Jährigen (bis zu 72 %) – also die Zukunftsträger des Managements. Die Erschöpfungsraten bei Führungskräften liegen sogar über dem Durchschnitt aller Beschäftigten – ein strukturelles Alarmsignal.
Auch die Gallup-Studie 2025 belegt: Führungskräfte sind emotional angespannt, handeln im permanenten Krisenmodus – und nur 26 % können nach Feierabend abschalten. Der emotionale Rückhalt im Unternehmen ist schwach, die innere Distanz wächst.
Ergänzend zeigt die IW-Trends-Analyse 2025, dass überlange Arbeitszeiten (48+ Stunden/Woche) bei Führungskräften zum Normalfall geworden sind – mit messbaren Folgen für die psychische und physische Gesundheit. Erschöpfung entsteht dabei nicht nur durch Arbeitsvolumen, sondern durch mangelnde Handlungsspielräume, fehlende Wertschätzung und das Zerreißen zwischen Agilität und Stabilität.
Führungskräfte als Spiegel einer überforderten Welt
Die Erschöpfung von Führungskräften ist kein Einzelschicksal – sie ist Ausdruck eines größeren Phänomens: der systemischen Überforderung in der Permakrise. Der Dauerkrisenmodus durch Pandemie, geopolitische Instabilität, Energieunsicherheit und digitale Disruption fordert seinen Preis. Unternehmen funktionieren oft nur noch im Reaktionsmodus, Führungskräfte verlieren zunehmend ihre strategische Wirksamkeit.
Wer keine Resilienz entwickelt, verliert nicht nur seine Leistungsfähigkeit, sondern gefährdet die gesamte Organisation. Es entsteht eine toxische Dynamik: Überlastete Chefs treffen keine klaren Entscheidungen, überarbeiten sich und senden fatale Signale an ihre Teams – Orientierungslosigkeit wird zum Leitmotiv.
Warum brennen Führungskräfte aus?
Vier Hauptursachen dominieren die Studienlage:
- Steigende Arbeitsbelastung: Die klassische 40-Stunden-Woche ist in der Führungsetage längst passé.
- Hohe Verantwortung: Entscheidungen mit enormer Tragweite treffen – oft ohne klares Datenfundament.
- Ständiger Erwartungsdruck: Shareholder, Kunden, Belegschaft – alle wollen mehr, schneller, besser.
- Fehlende Pausen und Regeneration: Permanente Erreichbarkeit ersetzt Erholung. Balance wird zur Floskel.
Fehlende Selbstführung , mangelnde Delegation, Kontrollbedürfnis und ein unrealistisches Selbstbild führen dazu, dass Führungskräfte sich selbst in die Überlastung treiben.
Was jetzt zu tun ist
1. Neue Führungsmodelle denken Konzepte wie Shared Leadership oder Co-Leadership zeigen: Führung muss nicht einsam sein. Teamorientierte Führung reduziert Druck, fördert Dialog und stärkt Resilienz.
2. Resilienz als strategische Kompetenz verankern Resilienz 2.0 bedeutet nicht „zurückspringen“, sondern „Bounce Forward“: Lernen, mit Krisen produktiv umzugehen und gestärkt daraus hervorzugehen.
3. Selbstführung ausbauen Führung beginnt bei der eigenen Person. Wer sich selbst nicht steuert, kann kein Team führen . Schulung in emotionaler Intelligenz, Klarheit, Prioritätensetzung und Selbstfürsorge ist Pflicht, nicht Kür.
4. Echte Kultur der Wertschätzung etablieren Anerkennung ist keine Nettigkeit, sondern Führungsinstrument. Positive Feedbackkultur senkt Frustration und erhöht die Bindung ans Unternehmen.
5. Zeit für echte Pausen schaffen Strategische Pausen, Reflexionszeiten und bewusste Entschleunigung fördern langfristige Leistungsfähigkeit. Wer immer „on“ ist, handelt irgendwann irrational und fehlerhaft.
Führung neu denken – bevor sie zusammenbricht
Die aktuellen Studien zeigen unmissverständlich: Erschöpfung bei Führungskräften ist keine Ausnahme, sondern ein strukturelles Risiko für Organisationen. Wer nicht handelt, verliert. Führung bedeutet Verantwortung – auch für sich selbst. Es ist Zeit, alte Denkmodelle hinter sich zu lassen. Führung muss heute radikal ehrlich, menschenzentriert und zukunftsorientiertsein. Nicht nur, um zu überleben – sondern um in einer chaotischen Welt erfolgreich zu führen.