7:30 Uhr. Kristiansund. Die Sonne glitzert über dem Fjord – perfektes Wetter für 330 Kilometer Richtung Steinkjer. Klingt romantisch. War’s aber nicht.
Denn nach gut 260 Kilometern fing es an: Rückenschmerzen, Hintern taub, die rechte Arschbacke meldete sich dauerhaft krank mit einem gelben Schein. Ich habe schon öfter Tagestouren mit 400–500 Kilometern gemacht – aber nicht rund 14 Tage am Stück und wir sind erst bei Tag 5. Fünf bis acht Stunden pro Tag sind für die ganze Tour geplant. Der Körper meckerte. Der Kopf stellte Fragen. „Was wenn das die nächsten Tage immer so ist?“ „Und was, wenn du die 450 Kilometer am Montag gar nicht schaffst?“ Vielleicht brauche ich jetzt die Apotheke von Silke, die ich mitgenommen habe – Silke ist die Apothekerin meines Vertrauens. Sie ist Inhaberin der Sonnenapotheke in Haiger.
Und genau da beginnt Führung.
Nicht, wenn’s läuft. Nicht, wenn du Rückenwind hast, das Team applaudiert und der Jahresbonus winkt. Sondern dann, wenn dir der Fahrtwind ins Gesicht peitscht, du auch noch auf einer Fähre mit mulmigem Magen stehst und zwei andere Fahrer dir erzählen, dass sie seit fünf Tagen nur Regen hatten. Da geht sie los, die echte Reise: Nicht über Asphalt – sondern durch deine Birne.
Ich hätte aufhören... Ehrlich?
Wie oft tun wir das im Alltag? Eine gute Idee gehabt – und sie dann doch verworfen, weil’s unbequem wurde? Ein neues Projekt gestartet – aber kurz vor dem entscheidenden Moment abgebrochen wird, weil der Zweifel lauter war als die Überzeugung?
„Dranbleiben“ klingt immer nach Motivationsposter. Ist es aber nicht. Es ist eine Entscheidung. Eine Haltung. Ein inneres Versprechen.
Führungskräfte im Mittelstand brauchen heute nicht mehr Methoden – sondern mehr Mut. Mehr Selbstführung. Mehr Schmerzkompetenz. Ja, du hast richtig gelesen. Wer führt, muss mit Schmerz umgehen können. Mit den Spannungen zwischen Anspruch und Realität, zwischen „Ich müsste“ und „Ich kann nicht mehr“. Zwischen Strategie-Workshop und Bauchgefühl.
Was mir auf dem Motorrad durch den Kopf ging, war mehr als Muskelkater. Es war die Frage: Ziehst du durch – oder suchst du einen Grund, auszusteigen?
Und ich meine das nicht pathetisch. Ich meine das ganz real. Im Business. In deiner Rolle als Geschäftsführer oder Führungskraft.
Wenn du dein Team durch Dauerkrisen führen willst, musst du selbst wissen, wofür du gehst – und was dich hält, wenn nichts mehr hält. In meinem Buch „Führungskräfte als Hoffnungsträger“ beschreibe ich genau diesen Punkt: Hoffnung ist kein rosa Gefühl. Hoffnung ist eine Entscheidung. Seite 34: „Der nötige Schubs in den Einflussbereich.“ Da beginnt Selbstführung.
Denn du kannst niemanden führen, wenn du dich selbst nicht halten kannst.
Emotionale Intelligenz ist kein Nice-to-have. Sie ist die Voraussetzung für Resilienz.
Es geht nicht darum, keine Zweifel zu haben. Es geht darum, weiterzugehen – trotzdem. Auch wenn du Angst hast. Auch wenn du denkst, dass du nicht genug bist. Auch wenn andere schneller oder lauter wirken. Dranbleiben bedeutet: Nicht aussteigen, nur weil’s eng wird.
Ich sehe in meiner Arbeit als Berater immer wieder das Gleiche:
Führungskräfte, die sich selbst im Weg stehen. Die Ideen verwerfen, bevor sie geboren sind. Die Entscheidungen totreden, statt sie umzusetzen. Die „mal schauen“ sagen – wenn längst klar ist, was zu tun wäre.
Wir nennen das „Strategische Passivität“. Klingt nett – ist aber fatal. Denn während du noch grübelst, verlieren andere das Vertrauen. Und das Team? Merkt genau, ob du führst – oder schwankst. Ob du Haltung hast – oder dich hinter Ausreden versteckst.
Dranbleiben heißt: Ich geh den Weg. Auch mit Krämpfen im Hintern.
Auch wenn der Rücken brennt, der Zeitplan eng ist und der Gegenwind stärker wird. Du kannst entscheiden: Jammern oder handeln. Verzögern oder führen. Diskussionen führen – oder einfach tun.
In „Führen. Leisten. Leben.“ von Fredmund Malik wird das sehr klar benannt: „Resultatorientierung beginnt mit der Bereitschaft, unbequeme Wege zu gehen.“
Und ja – ich hätte auch auf der Fähre stehenbleiben können. Einen Cappuccino trinken und sagen: „War halt zu viel.“ Aber was hätte das bedeutet? Dass ich nur dann „on track“ bin, wenn alles passt?
Resilienz heißt nicht, dass dir nichts wehtut. Resilienz heißt: Es hält dich nicht auf.
Wenn du heute als Führungskraft unterwegs bist – dann brauchst du nicht mehr Tools. Du brauchst mehr Tiefe. Mehr Selbsterkenntnis. Mehr innere Klarheit. Denn am Ende entscheidet nicht die Agenda über deinen Erfolg. Sondern dein Hintern. Dein Rücken. Dein Wille.
Und ganz ehrlich: Wenn man mich vom Motorrad meißeln muss – dann ist das okay. Aber aufgeben? Nicht mein Stil.
(Wenn du mal einen guten Coach für Resilienz brauchst: Frag John Wick.)
Die Frage ist nicht, ob’s wehtut – sondern ob’s dich aufhält.
1. Welche Idee hast du zu früh aufgegeben – nur weil sie unbequem wurde?
2. Wann hast du zuletzt etwas durchgezogen, obwohl du gezweifelt hast?
3. Welche Entschuldigung wiederholst du, um das Dranbleiben zu vermeiden?
4. Was würde passieren, wenn du eine Entscheidung einfach nicht mehr diskutierst – sondern umsetzt?
Wenn du jemanden kennst, der diesen Impuls gerade braucht: Schick ihn weiter. Und wenn du willst: Teil deine Erkenntnis mit mir. Ich lese jede Nachricht.
Bleib dran.
Ben
Ben Schulz ist Sparringspartner für Geschäftsführer und Führungsteams in klein- und mittelständischen Unternehmen, wenn es um deren Strategie und Transformationsprozessen geht. Der Vorstand des Beratungshauses Ben Schulz & Partner AG legt den Schwerpunkt seiner Tätigkeit, gemeinsam mit seinem Team, auf die Schwerpunkte Unternehmensleitbildentwicklung, Kulturwandel, Führungskräfteentwicklung und strategischen Unternehmersparrings, bei denen es um die Steigerung von Perfomance geht.